Dreck und Kot im Treppenhaus

BONN · Das Jobcenter verweigert einer Familie mit vier Kindern den Auszug aus einem Problemhaus an der Oppelner Straße in Tannenbusch.

 Claudia Thumm mit den Söhnen Dominik (4) und Jannik (2) vor dem Haus an der Oppelner Straße.

Claudia Thumm mit den Söhnen Dominik (4) und Jannik (2) vor dem Haus an der Oppelner Straße.

Foto: Martin Ochmann

Mittwochs ist Putztag in dem Mehrfamilienhaus an der Oppelner Straße in Tannenbusch. Gleich drei Putzfrauen wischen das Treppenhaus. Und sie haben gut zu tun. Wo sie noch nicht waren, türmt sich der Dreck: Papier, leere Packungen, Müll jeder Art.

Und das ist noch die harmlose Variante. Claudia und Hans Thumm haben mit ihrem Fotoapparat die Zustände im Haus dokumentiert, auf ihrem Computer haben sie zahlreiche Bilder von Erbrochenem, Hundekot und Urinlachen gespeichert. "Das ist richtig schlimm hier. Und es wird immer schlimmer", sagt Claudia Thumm.

Seit 2009 lebt die sechsköpfige Familie in dem Haus. Und sie will so schnell wie möglich weg. Hans Thumm arbeitet bei einer Reinigungsfirma, das Geld reicht nicht zum Leben, deswegen stockt die Jobagentur auf und zahlt die Miete für Familie Thumm. Den Umzug lehnt sie ab, sie hält die derzeitige Wohnsituation für angemessen. Thumms haben vier Kinder, 16, vier und zwei Jahre alt, das jüngste Kind ist vier Monate alt. Das Ehepaar will nicht, dass die Kinder in diesem Umfeld aufwachsen. "Für Erwachsene ist das schon eklig, aber man hat auch den Kindern gegenüber ein schlechtes Gewissen. Den Kindern bringt man bei, nichts wegzuwerfen. Aber wie erklären sie denen das, wenn sie durchs Treppenhaus gehen?", sagt die Mutter.

Drastisch schildert sie die Verhältnisse im Haus: Dass sie teilweise dreimal in einer Nacht die Polizei ruft, weil sich Nachbarn schlagen und rumbrüllen, dass im Treppenhaus offen mit Drogen gehandelt oder auch Rauschgift konsumiert wird. "Das Haus hat man uns an einem Mittwoch gezeigt, da ist Putztag, da sieht es nicht so schlimm aus", sagt Thumm.

Zudem habe es seinerzeit noch einen Sicherheitsdienst gegeben, der aber drei Monate nach dem Einzug abgeschafft wurde. Seitdem habe sich die Lage stetig verschlimmert. Mehrmals hat das Ehepaar auf die Situation aufmerksam gemacht, hat mit der Arbeiterwohlfahrt, dem Mieterverein, dem Jugendamt und der Polizei gesprochen. Doch ihnen sind die Hände gebunden.

Die Thumms begannen, sich eine neue Wohnung zu suchen. Das Ehepaar wendete sich hilfesuchend an den derzeitigen Vermieter und das Jobcenter. Ohne Erfolg. Also suchte das Paar auf eigene Faust und wurde fündig, eine Vier-Zimmer-Wohnung am Schweidnitzer Weg. "Die Wohnung ist etwas größer, aber darum geht es ja nicht. Die Lebensumstände sind besser", sagt Claudia Thumm. Und laut Vermieter kann die Familie sofort einziehen.

Ein entsprechender Antrag beim Jobcenter wurde jedoch abgelehnt. Zur Begründung hieß es, auch bei der neuen Wohnung handle es sich um eine Vier-Zimmer-Wohnung, insofern sei keine Verbesserung zu erkennen, die alte Wohnung damit angemessen. Auf die geschilderten Zustände im Haus geht die Stellungnahme nicht ein.

Thumms legten Widerspruch ein, der blieb bislang unbeantwortet. "Das Jobcenter spielt auf Zeit", sagt Andrea Klamser, die Anwältin der Familie. Sie hat deswegen mittlerweile einen Eilantrag beim Sozialgericht in Köln eingereicht.

Mit Blick auf den Erfolg dieses Antrags ist die Juristin skeptisch. "Es gibt zwei große Probleme: Wenn wir Recht bekommen, brechen alle Dämme, andere würden nachziehen. Und uns läuft die Zeit davon", sagt Klamser. Denn noch können Thumms in die neue Wohnung einziehen. Doch angesichts der großen Nachfrage nach Wohnungen in Bonn ist klar, dass das nicht mehr lange so sein wird.

Nach der Anfrage des GA hat das Jobcenter nun angekündigt, die Entscheidung zu überdenken. "Um schnell Abhilfe zu schaffen, wird das Jobcenter umgehend bei der Wohnungsaufsicht der Stadt Bonn eine Prüfung der Verhältnisse einleiten", so Jobcenter-Sprecher Markus Waschinski. Sollten sich die Zustände tendenziell bestätigen, könnten gegebenenfalls Wohnungsangebote unterbreitet werden. Man habe erst im Rahmen des Widerspruchsverfahren von den Verhältnissen erfahren. Diese zu beheben, so Waschinski, falle allerdings nicht in die Verantwortung des Jobcenters, sondern des Vermieters.

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