Bonner Sportvereine sehen sich ungerecht behandelt

BONN · Der Bonner Sport macht ernst. Die Sportstättennutzungsgebühr von 750.000 Euro bringt die Vereine auf die Palme. Abstimmung mit den Sportvereinen? Fehlanzeige. Kultur- und Sportdezernent Martin Schumacher will in den nächsten zwei Jahren erst einmal ein Kulturkonzept erstellen, dann soll eines für den Sport folgen.

Ob Schumacher tatsächlich ein Dezernent für beides - Kultur und Sport - ist oder sich, wie alle Vorgänger, primär als Kulturdezernent versteht, ist für die Vertreter des Sports längst beantwortet.

Dabei scheint die neue Gebühr nur ein Anlass zu sein, dass die Clubs auf die Barrikaden steigen. Dazu haben sie jetzt die Initiative "Pro Sportstadt Bonn" (PSB) gegründet - eine Pflanze, die täglich wächst. Inzwischen umfasst die PSB schon 13 Vereine, die über 20 000 Mitglieder haben - von insgesamt mehr als 75 000 Sportlern, darunter fast 30 000 Kinder und Jugendliche. Die PSB hat ausgerechnet, dass das Kunstmuseum die Stadt mehr kostet als alle Bäder zusammen, letztere aber sechs Mal mehr Nutzer haben.

Angesichts seiner vielen Tausend Mitglieder erscheint der Bonner Sport wie ein schlafender, aber hinsichtlich der Wahrnehmung seiner Interessen als verschlafener Riese. Die Vereinschefs haben erkannt, dass die Kulturlobby exzellent organisiert und vernetzt ist - und die Clubs nicht. Auch deshalb die Initiative. Wer in ihre Runde hineinhört, spürt vor allem Entrüstung - und die latente Furcht, als "Kulturbanause" dazustehen. Denn die 20 Prozent des Haushalts, über die die Stadt in Form freiwilliger Leistungen frei verfügen kann, sind deutlich kulturlastig.

Allein Oper/Schauspiel, Kunstmuseum und Beethoven-Orchester verschlingen im Jahr mehr als 45 Millionen (ohne Musikschule, Kulturförderung und -projekte), während die Stadt für Sportanlagen und -förderung gerade einmal zwölf Prozent davon ausgibt. Gleichzeitig weist der Sport viel mehr Nutzer auf. Die Zahlen, wie Bonn sein Geld verteilt, lassen den Konflikt unvermeidlich erscheinen.

"Einen Verein über Jahre schuldenfrei am Leben zu halten, ist Knochenarbeit", sagt Beuels Judo-Chef Rainer Wolff. Wenn es keine Vereine mehr gäbe, "kann die Stadt die Zahl ihrer Jugendzentren verdoppeln". Die kosten heute schon mehr als alle Sportanlagen. Nicht zufällig liest man im Briefkopf von "Pro Sportstadt Bonn": "Wir stehen für soziales Lernen, Leistung, Ehrenamt, Gesundheitsprävention, Integration." Jugendhilfe und Bildung hatten sich auch alle Parteien auf die Fahnen geschrieben.

Vereine machen Erziehungs- und Bildungsarbeit

Lutz Thieme, Professor für Sport-Management am Rhein-Ahr-Campus und Vorstand bei den SSF Bonn (8 500 Mitglieder), sagt: "Die Vereine machen genau das: Erziehungs- und Bildungsarbeit. Und zwar in einem Umfang, der weit größer ist als alle Jugendhilfeprojekte zusammen. Deshalb verstoßen die Parteien mit jeglichem Sparen am Sport gegen ihre eigene Politik, nur ist das den wenigsten bewusst."

Kay Milner, Geschäftsführer des größten Bonner Hockey- und Tennisvereins (BTHV), kritisiert: "Was das WCCB einmal kosten wird, weiß niemand, aber wir freuen uns schon auf das nächste Leuchtturmprojekt Festspielhaus mit Folgekosten bei gleichzeitiger Beibehaltung von Oper und Schauspiel. Parallel sollen die, die seit Jahren im Schatten der Kultur mickrige Fördergelder erhalten, dafür bluten."

Der BTHV (1.600 Mitglieder) erhielt rund 20.000 Euro als jährlichen Zuschuss zum Unterhalt seiner Sportstätte. 180.000 Euro bringt der Club selbst auf. Der Zuschuss ist nun nicht gekürzt, sondern gestrichen worden. "Die Nachricht darüber kam am Jahresende", ärgert sich Christa Vostell, "und wir hatten den Zuschuss natürlich eingeplant." Die 1. Vorsitzende des Godesberger Judo-Club (770 Mitglieder) mit vereinseigener Halle ist sauer, "dass der Sport kaltschnäuzig je nach Kassenlage behandelt wird".

Kultur abgesichert, Sport ist Sparmasse

Auch das eine Ungleichbehandlung: Die großen Kulturempfänger sind vertraglich abgesichert, der Sport ist Sparmasse. Als die ehemalige OB Bärbel Dieckmann 2007 dem Kunstmuseum einen Acht-Jahres-Vertrag überreichte, sagte sie, so werde die Finanzplanung des Museums unabhängig von Schwankungen im städtischen Haushalt.

Vor diesem Hintergrund fühlen sich Clubs mit eigenen Anlagen besonders benachteiligt: Einmal sind sie unternehmerisch und risikoreich tätig, zum anderen sparen sie der Stadt so Millionen. Zudem bescheren sie der Kommune neue Einnahmen, indem sie zum Beispiel Niederschlagsabwassergebühren zahlen. Nun wurden die Zuschüsse ganz auf Null gesetzt.

Für Norbert Gefäller, Vorsitzender des TC Blau-Weiß Duisdorf, "schmückt die Stadt sich längst zu Unrecht mit dem Titel Sportstadt", real sei sie schon lange "auf einem sportfeindlichen Weg". Er fragt: "Ein Opernbesuch wird mit 165 Euro subventioniert, die Nutzung einer Sportanlage mit 70 Cent, und jetzt soll der Sport sparen?" Zum Vergleich: Für ein Kind zahlt die Stadt pro Jahr fünf Euro Förderung an den Club. Inzwischen müsse man sich fragen, so Erich Goebels, Ehrenvorsitzender des SC Fortuna Bonn, "wie das alles demokratisch legitimiert ist".

Das Problem mit der Sportstättennutzungsgebühr

Die Sportstättennutzungsgebühr erscheint für Außenstehende harmlos. 750.000 Euro geteilt durch 75.000 Sportler macht zehn Euro pro Jahr pro Mitglied. Tatsächlich fallen alle Mitglieder, deren Clubs vereinseigene Anlagen haben, aus der Berechnungsgrundlage heraus, auch Personen unter 18 Jahren. So ergeben sich 25 Euro pro erwachsenem Mitglied und Jahr. Diese Gruppe ist aber in einem Sportverein bereits der größte Sponsor von Kinder und Jugendlichen, erklärt Volker Ludwig, 2. Vorsitzender des SV Rot-Weiß Röttgen: "Wir subventionieren unsere mehr als 600 Kinder und Jugendlichen durch die Erwachsenen-Beiträge, vor allem in Mannschaftssportarten. Erhöhen wir die Beiträge für alle, verlieren wir sicher Mitglieder. Wir haben viele Familien mit mehr als drei Kindern, die können sich das dann nicht mehr leisten."

Der Sport will beim Sparen mithelfen, aber das Motto "Alle müssen sparen" bedeutet Rasenmähermethode und übersieht, wer bisher auf welchem Niveau wirtschaftete. So plädiert Roland Maywald, Vorsitzender des 1. BC Beuel, "für mehr Eigenverantwortlichkeit". "Wenn Vereine sich das zutrauen und eine Sportstätte von der Stadt übernehmen, dann sollte die Kommune einwilligen und einen verlässlichen Zuschuss zahlen.

Ein Ärgernis, das alle verbindet: Durch die Offenen Ganztagsschulen schaffen es rein zeitlich immer weniger Kinder und Jugendliche bis zum Vereinssport. Die Clubs drängen in die Schulen, werden dort aber nicht immer mit offenen Armen empfangen. Hier könnte das Schulamt, so die PSB, "als wichtiges Scharnier zwischen Verein und Schule fungieren".

In Bonn vertreten Stadtsportbund (SSB) und Sportamt die Interessen der Vereine. Dass es nun einer Initiative bedarf, spricht für sich. Über dem kämpferischen SSB-Vize Uli Dahl steht Heinz-Helmich van Schewick. Der hat jedoch - wie der Kultur- und Sportdezernent Schumacher - ein Handicap: Van Schewick ist auch Vorsitzender des städtischen Kulturausschusses. Nach GA-Informationen hat die PSB ihm empfohlen, sich zu entscheiden.

Auch im Verhältnis zum Sportamt knirscht es. Angesichts der teilweise maroden Zustände in städtischen Sportstätten, für die nun Gebühren erhoben werden sollen, wundert es etwa Milner, dass das Sportamt ihm Mails mit Fotos seiner vereinseigenen Anlage sendet und ihn in Sachen Grünpflege ermahnt: "Wann kehren Sie endlich das Laub zusammen?"

Die zentralen Forderungen

  • Ein Sportkonzept auf Basis objektiver und zuverlässiger Daten.
  • Die Verwendung der an Bonn gezahlten NRW-Sportpauschale in Höhe von 884.000 Euro für den Sport.
  • Verzicht auf die Einführung einer Sportstättennutzungsgebühr.
  • Umwandlung von städtischen in vereinseigene Anlagen.
  • Eine neue Sport-Zuständigkeit innerhalb der Stadt und kein "Anhängsel" des Kulturdezernenten mehr sein.
  • Rücknahme der Streichung von Zuschüssen für vereinseigene Sportanlagen.
  • Förderung des Bonner Sports statt in einer 1:6-Relation zur Kultur in einem ersten Schritt in einem Verhältnis von 2:5.
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