Kimiko Ishizaka Bonner Pianistin stellt Musik von Bach kostenlos ins Netz

BONN · Bach erobert das Web 2.0: Gemeinsam mit ihrem Mann entwickelte Kimiko Ishizaka das Projekt "Open Goldberg Variations". Grundidee dahinter: Publikum, Laienmusiker, Studenten, Profis, mithin jeder Interessierte sollte die Möglichkeit haben, Bachs Goldberg-Variationen kostenlos hören und sich die Noten kostenfrei aus dem Netz herunterladen zu können. Auf der Crowdfunding-Plattform Kickstarter sammelten sie fast 24.000 Dollar, womit das Projekt bestens finanziert war.

 Klavierspiel für die Netzgemeinde: Kimiko Ishizaka.

Klavierspiel für die Netzgemeinde: Kimiko Ishizaka.

Foto: Promo

Der kanadische Pianist Glenn Gould, den man gern als James Dean der klassischen Musik bezeichnete, verschaffte den Goldberg-Variationen von Johann Sebastian Bach Kultstatus. Mit dem Erscheinen der Gould-Aufnahme von 1955 waren die komplexen Variationen des Leipziger Thomaskantors plötzlich hip und Teil einer weltweiten Jugendkultur geworden.

Ein bisschen führt die in Bonn geborene, als Teil des Ishizaka-Trios aufgewachsene und mittlerweile in Köln lebende Pianistin Kimiko Ishizaka nun diese Tradition weiter, indem sie Bachs Variationen fürs Web 2.0 erobert hat. Gemeinsam mit ihrem Mann, dem Hornisten Robert Douglass entwickelte sie das Projekt "Open Goldberg Variations". Grundidee dahinter: Publikum, Laienmusiker, Studenten, Profis, mithin jeder Interessierte sollte die Möglichkeit haben, Bachs Goldberg-Variationen kostenlos hören und sich die Noten kostenfrei aus dem Netz herunterladen zu können. Auf der Crowdfunding-Plattform Kickstarter sammelten sie fast 24.000 Dollar, womit das Projekt bestens finanziert war.

Für die Tonaufnahmen Berliner Teldex-Studio spielte sie auf einen gesponserten Bösendorfer Imperial, der mit dem CEUS-Reproduktionssystem ausgestattet ist, einer Weiterentwicklung der guten alten Klavierwalze. "Der Flügel ist extra für die Aufnahme nach Berlin transportiert worden", erzählt Kimiko Ishizaka. Ihr war die im Vergleich zu einem Steinway weichere Klangfarbe für den speziellen Ausdruck, der ihr vorschwebte, wichtig.

Aber auch die orchestrale Fülle, die man auf dem Bösendorfer Imperial produzieren könne. Tatsächlich klingt ihre auch als CD erschienene Aufnahme im besten Sinne romantisch. Ihr Anschlag wirkt rund, jede Phrase durchgebildet. Dabei nutzt sie die Möglichkeiten des Flügels zu klanglichen Differenzierungen mit großer Souveränität aus.

Teil des Projektes war aber auch eine neue Edition des Werkes. Werner Schweer erstellte sie mit dem Open-Source-Notensatzprogramm MuseScore und stellte sie im Netz zur Diskussion. Etwa 20 Änderungen hat er auf Anregungen im Netz hin vorgenommen und dokumentiert. Mittlerweile stehen die Noten ebenso wie die Aufnahme auf der Internetpräsenz "Open Goldberg Variations" frei zur Verfügung.

Der Goldberg-Virus hatte Kimiko Ishizaka vor fünf Jahren erfasst, erzählt sie. Eher zufällig war sie in einen Vortrag über die berühmten Klavier-Variationen geraten, ließ die ganz unterschiedlichen Interpretationen auf sich wirken. Die intellektuelle Leidenschaft eines Glenn Gould ebenso wie den Kneipen-Chor, der in der Version des Jazzmusikers Uri Caine die letzte Variation, das volkstümliche Quodlibet, singt. "Diese Klangfarbe beeinflusste sehr meine interpretatorischen Entscheidungen, insbesondere bezüglich Artikulation und Stimmführung", sagt sie heute.

Kimiko Ishizaka besorgte sich die Noten, begann zu spielen. Immer wieder, bis sie jede Variation in- und auswendig kannte. Für sie lag der Gedanke eigentlich sehr nahe, dass ein solch grandioses Werk, das neben Beethovens Diabelli-Variationen als der bedeutendste Variationenzyklus der Musikgeschichte gilt, frei zugängliches Gemeingut sein sollte. Und nachdem sie es geschafft hat, gehen ihre Pläne mit Bach bereits in die nächste Runde.

Diesmal widmet sie sich dem Wohltemperierten Klavier, dessen ersten Teil sie auf einer erneut übers Crowdfunding finanzierten Reise durch Europa und den Nordamerika vor ausgewähltem Publikum live spielen wird. Der Auftakt ist kommenden Samstag, 25. August, in der großen Aula der Basilika St. Aposteln am Neumarkt. Letzte Station wird dann übrigens ein Auftritt bei der Glenn Gould Stiftung in Toronto sein, wo Kimiko Ishizaka zum des 80. Geburtstages des vor 30 Jahren gestorbenen Klaviermythos gastieren wird.

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