"Zurich zieht aus wirtschaftlichen Gründen nach Köln"

Zu den Artikeln "Zurich Versicherungsgruppe verlässt Bonn: 1500 Jobs weg", "Umzug ein Schlag für Bonns Stadtkasse" und zum Interview mit dem Wirtschaftsexperten Prof. Hermann Simon ("Der nächste OB muss mehr tun"), erschienen am 9. und 10. Januar

Ich habe mich über das Interview mit Herrn Simon zum Weggang der Zurich Versicherungsgruppe aus Bonn sehr gefreut. Die Berichterstattung des GA ist den Kriterien der Wahrhaftigkeit, Aufrichtigkeit und Sachgerechtigkeit verpflichtet. Durch die Veröffentlichung des Interviews ist der GA dieser Verpflichtung hervorragend nachgekommen. Denn durch das Interview wird aufgedeckt, dass das vom Landrat des Rhein-Sieg-Kreises vorgetragene Argument der angeblich miserablen Verkehrssituation in und um Bonn vorgeschoben ist.

Die schlechte Verkehrsanbindung Bonns wird im Zusammenhang mit dem Weggang der Zurich Versicherungsgruppe gezielt von der Wirtschaftslobby lanciert. Würde man das Argument des Landrats wirklich ernst nehmen, wären die Städte Köln und München zum Beispiel längst zur Industriebrache degeneriert. Die Zurich Versicherunsgruppe zieht aber aus wirtschaftlichen Gründen nach Köln um, obwohl die Verkehrssituation dort wesentlich schlechter und belasteter ist als in unserem kleineren und schätzenswerten Standort Bonn.

Friedhelm Dilk, Bonn

Eine Firma für eine Neuansiedlung zu gewinnen, ist um ein zig-faches schwieriger als diese vor Ort zu halten. Diese alte Ökonomen-Weisheit verdeutlicht, wie schwer der Verlust der Zurich Versicherung für Bonn wiegt. Hier wie auch beim Wegzug von Haribo sind Versäumnisse zu beklagen, die vielfältige Ursachen haben. Dies zu korrigieren und Ersatz zu schaffen, erfordert große Anstrengungen aller.

Sehr wertvoll sind hierbei die sehr ernst zu nehmenden Kritikpunkte von Prof. Simon - einem international führenden Consultant - an der Lage in Bonn. Warum hat man bislang nicht auf den Rat dieses hochkarätigen Experten gehört? Bürger, Politik und Verwaltung - alle müssen diese Ratschläge dringend beherzigen, wenn Bonn nicht ins Mittelmaß abrutschen soll.

Moderne Standorte erfordern ein breites Angebot an leistungsfähigen Strukturen auf allen Gebieten, ob bei Kultur, Bildung, Wirtschaft, Verkehr, Medizin oder Forschung, um nur einige zu nennen. Diese müssen verstärkt auch auf die Wünsche und Erfordernisse der jungen Leistungsträger ausgerichtet werden - das sind die Arbeitskräfte und Einwohner von morgen!

Wir Älteren - auch ich gehöre hierzu - sollten uns in diesen Diskussionen zurücknehmen und der Jugend mehr Beachtung schenken. Engagieren wir uns für eine attraktive Bonner Region.

Manfred Weizbauer, Meckenheim

Der Umzug der Zurich Gruppe nach Köln ist keine gute Nachricht für Bonn, betriebswirtschaftlich aber nachvollziehbar: Das Unternehmen prüft seit Jahren die Zusammenlegung seiner Aktivitäten, weil die Bürogebäude in Poppelsdorf, aber auch die in Köln marode sind, weil die Sanierung sich nicht rechnet und Synergieeffekte genutzt werden. Da macht die Zurich lieber einen Neuanfang auf der Grünen Wiese im Kölner Randgebiet.

Wie Bonn und Region mit dieser Entscheidung umgehen, sie geradezu missbrauchen für andere Zwecke, ist typisch für die Region: Sie ist nicht teamfähig. Die Zurich-Entscheidung zu nutzen, um den seit Jahrzehnten schwelenden Konflikt um den Neubau einer Bundesfernstraße (Südtangente) durch die Naturparke Kottenforst und Siebengebirge zu befeuern, bedeutet, die wirklichen Beweggründe zu verleugnen.

Als ob es auf dem Kölner Ring weniger Staus als in Bonn gäbe. Köln und München wären Industriebrache, käme es für die Ansiedlung von Unternehmen auf staufreie Verkehrsverbindungen an. Im Standortvergleich zu anderen Regionen wird die Verkehrsanbindung des Standorts Bonn noch stets als überdurchschnittlich gut bewertet.

Beim Faktor Natur und Wohnqualität ist der Standort Bonn Spitze, eindeutig besser als Köln. Für Führungskräfte der Wirtschaft ist der hochwertige Natur- und Landschaftsraum bei den Wohnplätzen ein wichtiger Faktor bei der Wahl des Arbeitsplatzes.

Die Probleme liegen woanders: Bonn schafft den Wandel von der Beamten-, Pensionärs- und Universitätsstadt zur Wirtschaftsstadt nicht, verscheucht die erfolgreichen Publikumsrenner Klangwelle und Rheinkultur aus der Stadt, leistet sich einen ständigen Machtkampf der Mehrheitsfraktionen im Stadtrat gegen den OB. Die Region leistet sich einen Dauerstreit über die Verkehrsinfrastruktur. Kann so ein wirtschaftsfreundliches Klima entstehen?

Statt regionalpolitischen Streit zu pflegen, müssen Stadt und Kreis den Schulterschluss suchen, gemeinsam daran arbeiten, den sechsspurigen Ausbau der Stadtautobahn (A 565) in die höchste Dringlichkeitsstufe für den Ausbau der Bundesfernstraßen zu heben. Das wäre ein Signal für den Wirtschaftsstandort Bonn.

Dr. Franz-Friedrich Rohmer, Königswinter

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