Wenn die Tarifeinheit kommt, dann schlägt die Stunde der Verfassungsrechtler

Zum Kommentar "Ein Erfolgsmodell" von Markus Grabitz zur Tarifeinheit in Deutschland, erschienen am 12. Dezember

 Lokführer, die in der GDL organisiert sind, demonstrieren vor dem Duisburger Hauptbahnhof. Nach einem Gesetzentwurf der Bundesregierung soll es je Berufsgruppe nur noch einen Tarifvertrag geben.

Lokführer, die in der GDL organisiert sind, demonstrieren vor dem Duisburger Hauptbahnhof. Nach einem Gesetzentwurf der Bundesregierung soll es je Berufsgruppe nur noch einen Tarifvertrag geben.

Foto: dpa

Ergänzend zu den Ausführungen in dem Leitartikel kann noch auf Folgendes hingewiesen werden: Wenn das geplante Gesetz kommt, schlägt die Stunde der Verfassungsrechtler. Nehmen wir an, sie dringen mit ihrer Meinung durch, dass auch "Spartengewerkschaften" ein Recht auf einen eigenständigen Tarifvertrag haben, dann entsteht in den Betrieben folgende Situation:

Anspruch auf die tariflichen Leistungen haben nur die Tarifunterworfenen, das heißt die Arbeitnehmer, die der tarifschließenden Gewerkschaft angehören. Bei allen anderen Mitarbeitern kann der Arbeitgeber im Wege des Einzelarbeitsvertrags auch Leistungen unterhalb des Tarifvertrags vereinbaren.

Nur unter denen gilt dann der oft (falsch) zitierte Gleichbehandlungsgrundsatz. Das heißt also, dass der Arbeitgeber es dann mit drei Gruppen von Beschäftigten zu tun hätte: den Angehörigen zweier Gewerkschaften und den Unorganisierten. Schließt nun zum Beispiel bei der Bahn die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) für die Zugbegleiter einen eigenständigen Tarifvertrag ab, die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) ihrerseits auch einen Vertrag für ihre Mitglieder, dann müsste die Bahn jeden einzelnen Mitarbeiter fragen, ob er überhaupt organisiert ist beziehungsweise welcher Gewerkschaft er angehört.

Nicht auszudenken, was sich dann noch an Rechtsstreitigkeiten entwickeln kann, wenn die Angaben der Mitarbeiter angezweifelt werden.

Ich habe selbst in Tarifkommissionen mitgewirkt, die zusammen mit anderen Organisationen (damals noch der Deutschen Angestellten-Gewerkschaft und/oder dem Beamtenbund) immer mit Respekt voreinander und Augenmaß mit der Arbeitgeberseite vernünftige und für alle Beschäftigten geltende Tarifverträge abgeschlossen haben. Dies wäre nun endgültig vorbei, wenn die Verfassungsrechtler sich mit ihrer Meinung durchsetzten. Ich fürchte, ein Betrieb wird dann personalpolitisch nicht mehr steuerbar.

Siegfried Ansey, Swisttal

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