Vignette ist Eintrittsgebühr nach Deutschland

Zur geplanten Einführung der Pkw-Maut in Deutschland

 Ein Verkehrsschild weist die Fahrer an der Stadtautobahn in Rostock auf die Mautpflicht für die Passage des Warnowtunnels hin.

Ein Verkehrsschild weist die Fahrer an der Stadtautobahn in Rostock auf die Mautpflicht für die Passage des Warnowtunnels hin.

Foto: dpa

Seit vielen Jahrzehnten ist Konsens unter den Staaten Europas: Wer sein Auto in einem Land anmeldet und dafür die Steuern, Abgaben oder Gebühren bezahlt, der darf damit auch die Straßen in den anderen Ländern befahren. Das ist in zweierlei Hinsicht sachgerecht. Denn erstens nutzen die deutschen Autos, die auf französischen Straßen fahren, währenddessen keine deutschen Straßen. Zweitens nutzt im Gegenzug eine Anzahl französischer Autos deutsche Straßen anstelle französischer. So findet, ganz ohne Verwaltungsaufwand, ein fairer Ausgleich statt.

Bei den Autobahnvignetten, die in immer mehr Ländern eingeführt worden sind, gilt dieses Prinzip leider nicht. Hier muss ein Autofahrer, der im Grenzbereich pendelt, doppelt zahlen. Mich hat schon immer gewundert, dass das EU-Recht das zulässt. Denn dadurch wird der grenzüberschreitende Verkehr innerhalb der Union benachteiligt.

Mit seinem Vorstoß, eine Vignette für alle Straßen einzuführen, schafft der deutsche Verkehrsminister keine "Gleichbehandlung", wie er sagt, sondern kündigt den genannten Konsens auf. Das ist ein ungeheurer Affront gegen unsere Nachbarn und sollte für die EU-Kommission Anlass sein, die Mautsituation in der EU kritisch zu prüfen und regulierend einzugreifen. Vignetten mit nur nationalem Geltungsbereich behindern den freien Verkehr in der EU. Ziel sollte es sein, dass die Mitgliedstaaten alle nationalen Straßennutzungsrechte, seien sie durch Steuern, Abgaben, Gebühren oder Vignettenkauf erworben, gegenseitig auf ihren Straßen und Autobahnen anerkennen müssen.

Dr. Peter Buch, Bornheim

Dass wir in Deutschland mehr Geld in unsere Infrastruktur - und zwar Straßen, Bahn und Internet - investieren müssen, ist ziemlich unstrittig. Dass sich irgendwelche Bayern ärgern, wenn sie in Österreich Autobahnmaut zahlen müssen, ist verständlich.

Dennoch geht die deutsche Vignettendiskussion völlig in die falsche Richtung: Wenn unsere Regierung einen Trick findet, wie wir die Maut einführen können, ohne mit EU-Recht in Konflikt zu geraten, dürfen wir wohl kaum darauf hoffen, dass Länder wie Luxemburg, Belgien oder die Niederlande nicht ihrerseits Ähnliches einführen. Das ist doch irre: Wir freuen uns über die Freizügigkeit, die uns Schengen gebracht hat, aber für Autofahrer sie dann beendet.

An jeder Grenze braucht es erst Mal eine neue Vignette. Und kostenneutral wird es für deutsche Autofahrer auch nicht sein.

Ein bisschen unbeachtet bleibt, dass Minister Dobrindt die Vignette für alle Straßen einführen will. Das ist aber etwas völlig anderes als das, was Frankreich, Italien oder Österreich haben: Es ist eine generelle Eintrittsgebühr für Autofahrer nach Deutschland. Ist es im Interesse von grenznahen Zentren wie Aachen, Passau oder Saarbrücken, wenn der kleine Grenzverkehr so besteuert wird?

Ist es im Interesse der europäischen Bürger? Nein! Dieser Irrsinn muss gestoppt werden.

Andreas Bittner, Bonn

Es geht wesentlich einfacher: Da in den nächsten Jahrzehnten Milliardensummen für den Straßen- und Brückenbau benötigt werden und wir alle davon profitieren, sollten wir auch alle dafür bezahlen, Wahlaussage hin oder her. Und so geht's: Für jedes Auto fällt eine Jahresgebühr von 120 Euro an, eine Monatsvignette kostet 10 Euro, zu kaufen an jeder Tankstelle. Beispiel: Sollte ein Auto erst im Juli angemeldet werden, dann kostet eine Vignette nur noch 60 Euro für den Rest des Jahres.

Christof Wolter, Meckenheim

Grenzkontrollen in Europa mühsam abgeschafft, Freizügigkeit erreicht. Die CSU produziert erneut Schlangen und Staus an den Übergängen. Touristen drängeln an den Pickerl-Verkaufsbuden. Prüfende Polizisten stoppen die Autos. So ein Schwachsinn. "Freie Fahrt für freie Bürger." Fast wünscht man sich die FDP zurück.

Dr. Dietrich Berndt, Troisdorf

Wir kehren in Europa zurück ins Mittelalter. Wenn man früher reiste, so musste man bei allen kleinen Fürstentümern Wegzölle zahlen. Auch auf dem Rhein gab es wohl über 20 Zollstellen (die bekannteste ist die Pfalz bei Kaub). Und einige Städte räumten sich selbst das sogenannte Stapelrecht ein.

Die Zollstellen auf dem Rhein wurden 1815 beim Wiener Kongress aufgehoben, und auf dem Rhein sowie auf anderen internationalen Flüssen wurde die freie Schifffahrt ausgerufen und gilt hier heute noch. Welchen Rückschritt erleben wir nun auf den europäischen Straßen? Viele Länder erheben Wegzölle (man nennt das heute Maut) und Deutschland ist dabei, das mittelalterliche System wieder einzuführen.

Wir haben die innereuropäischen Grenzstationen abgeschafft und bauen neue Hindernisse auf. Da ist es doch dringend erforderlich, dass die Europäische Kommission eingreift und dem nicht europafreundlichen Verhalten einiger Länder Einhalt gebietet.

Klaus Ridder, Siegburg

Deutsche Verwaltungen sind Weltmeister im Verkomplizieren von einfachen Vorgängen (siehe Steuerrecht, Kranken- und Rentenversicherung, Riester, Harz IV). Die längst überfällige Maut - Infrastrukturabgabe genannt - ist ein weiteres Glanzstück eines verwaltungstechnischen Monsters. Für deutsche Autos soll hierfür die Kfz-Steuer kostenneutral gesenkt werden.

Das ist aber keine Nullnummer: Die Maut soll anhand der Kraftstoffart (Diesel/Benzin) und dem Hubraum ermittelt werden. Was haben denn diese Komponenten mit einer Straßenbenutzungsgebühr zu tun? Der deutsche Autofahrer mit deutschem Kennzeichen soll die in unterschiedlichen Farben mit der Post gelieferte Vignette an seinem Auto anbringen, damit man erkennt, dass er pro forma bezahlt hat.

Die Verwaltungskosten werden mit den überteuerten Ausländervignetten wieder hereingeholt und sollte etwas überbleiben, dann werden vielleicht einige Schlaglöcher beseitigt. Wat soll dä Quatsch?

Bei soviel Unsinn wünsche ich mir zur Abwechslung mal eine Bundesverkehrsministerin. Ich glaube, dass es dann solch einen Eiertanz nicht gäbe. Vermutlich hätten wir längst eine einheitliche Maut von 30 bis 50 Euro für jeden und das nicht erst ab 2016. Schauen wir doch mal auf Nachbarländer - es geht doch.

Natürlich wäre eine europäische Lösung besser, man kann jedoch nicht alle Länder gleichsetzen, weil sich Landesgröße und Anzahl der benutzten Straßenlängen unterscheiden. Auf jeden Fall sollten wir weiterhin kein kostenloses Durchfuhrland bleiben - und schon gar nicht wegen der fehlenden Autobahn-Höchstgeschwindigkeit.

Sigrid Schiefen, Hennef

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