Unterschiedliche Gründe für Kirchenaustritte

Zu Berichten und Kommentaren sowie Leserbriefen zu Kirchenaustritten

"Die Austrittswelle rollt in Bonn ungebremst über die beiden großen Kirchen hinweg." Fast derselbe Satz von voriger Woche schon wieder im General-Anzeiger. In derselben Ausgabe der Bericht über einen Brief mit dem "Betreff: Senkung der Unterkunftskosten". Wegen zwei Euro zu viel für eine 55-Quadratmeter-Wohnung soll eine alleinstehende und arbeitslose junge Frau mit einem kleinen Kind "in eine günstigere Unterkunft" umziehen.

Man wird die nächsten Tage ja hören und sehen, ob irgendwo eine kirchliche Stimme laut wird, "um Anklage zu erheben" (Matthäus 12, Vers 10) und zu fragen: "Habt Ihr denn nicht im Gesetz gelesen?" (Vers 5) "Ist doch verboten" (Vers 2) und unmissverständlich in § 22 Abs. 1 SGB II über Unangemessenheit geregelt.

Da bleibt dem "Kundenreaktionsmanagement" einfach nichts anderes übrig, als den Fall, um den es hier geht, "rechtssicher" abzuwickeln. Entsprechende Schreiben hören sich nun einmal hochdramatisch an.

Ich bin sicher: Man wird nichts dergleichen von den Kirchen hören und erst recht nicht: "Ein Mensch(enkind) ist doch viel mehr wert als" (Vers 12) abstrakte Werte wie der "Richtwert der Bruttokaltmiete für einen Zwei-Personenhaushalt".

Ernst-Jörg Neuper, Niederkassel

Wenn Stadtdechant Schumacher sagt, dass "kaum jemand tatsächlich so etwas wie eine Begegnung und Beziehung zu Jesus Christus entwickelt", dann sollte man sich fragen, warum ist das so? Auch Norbert Blüm sagte vor einem Jahr im GA: "Es gehen mehr Menschen ins Fitnessstudio als in den Gottesdienst." Zur selben Zeit bemerkte Angela Merkel: "Es gibt nicht zu viele Muslime in Deutschland, sondern zu wenig engagierte Christen."

Woran hapert es in der Gesellschaft des christlichen Abendlandes? Aus meiner Schulzeit kann ich mich nicht an einen einzigen packenden Religionsunterricht erinnern und in den Messen und Gottesdiensten haben mich diese - bis auf wenige Ausnahmen - auch nicht gerade vom Hocker gerissen. Heute weiß ich, dass allein Gottes Wort in der Bibel das ist, was mich mitreißt. Ich habe eine moderne Ausgabe der Bibel (Originaltext in Fußnoten), in der ich unverschlüsselt alles lesen kann, was ich zum Leben als Christ brauche.

Wenn wir nicht wissen, was in der Bibel steht, können wir auch nicht wissen, was Christ sein wirklich bedeutet. Lasst uns öfter mal in das Buch der Bücher schauen, um wieder ein lebendiger Christ zu sein.

Antonie Secker-Adams, Bad Honnef

Im GA wird gemutmaßt, dass viele ältere Leute wegen des ab 2015 geltenden automatischen Abzugs der Kirchensteuer auf Kapitalerträge aus der Kirche austreten. Das sehe ich anders: Zu viele Meldungen in der Vergangenheit über Kindesmissbrauch (vielfach nicht aufgearbeitet), Finanzskandale (Bischof van Elst, Vatikanbank) und innerkirchliche Streitigkeiten über Amtsträger (Kita Rauschendorf/Stieldorf, Versetzung von Pfarrern aus angestammten Gemeinden) haben das Fass des Vertrauens gerade bei Älteren, die bisher der Kirche die Stange gehalten haben, überlaufen lassen.

Wahrscheinlich spielt die Regelung aber an sich bei den meisten Älteren gar keine Rolle, weil ihr Sparstrumpf und die daraus resultierenden Kapitalerträge kleiner sind als der Freibetrag über 801/1602 Euro.

Manfred Busse, Bonn

Diesem Leserbrief ("Nur die Steuerersparnis im Blick") muss widersprochen werden, denn er ist sachlich falsch. Die sozialen Einrichtungen, die Herr Kühn in seinem Leserbrief aufzählt, werden vom Staat aus allgemeinen Steuermitteln finanziert, nicht aus der Kirchensteuer. Die Kirchen sind nur die Träger, was ihnen Macht verleiht. So entsteht die groteske Situation, dass aus den Steuerzahlungen einer muslimische Familie ein katholischer Kindergarten mitfinanziert wird, ihre Kinder aber eventuell keinen wohnortnahen Kindergartenplatz erhalten.

Die Umstellung des Kirchensteuereinzugs mag auslösend für Kirchenaustritte sein, denn sie macht die Verfilzung des Staates mit den Kirchen deutlich. Das mag viele der ohnehin desinteressierten Kirchenmitglieder verärgert haben. Die Politik sollte endlich eine konsequente Trennung von Staat und Kirche in die Wege leiten.

Franziska Kelz-Blank, Bonn

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