Unser Staat wertet Bildung ab

Zum Interview mit dem scheidenden Vorsitzenden der Telekom Stiftung, Ex-Außenminister Klaus Kinkel, über das deutsche Bildungssystem ("Jedes Land macht, was es will"), erschienen am 29. Dezember

 Ex-Außenminister Klaus Kinkel war 16 Jahre lang Vorsitzender der Telekom Stiftung.

Ex-Außenminister Klaus Kinkel war 16 Jahre lang Vorsitzender der Telekom Stiftung.

Foto: dpa

Klaus Kinkels Forderungen verengen das komplexe Thema bereits im zweiten Satz auf "die Lehrer" und "den Föderalismus". Wäre schön einfach, wenn er recht hätte. So lange das Land NRW pro Jahr pro Lehrkraft etwa 30 Euro in Fortbildung "investiert", sollte er sich dorthin wenden. Wenn man die Fakten in Augenschein nimmt, sollte man damit beginnen, dass Deutschland und speziell NRW pro Schüler/in sehr wenig investiert und sehr hohe Klassenstärken hat.

Auch die Unterrichtsverpflichtung der deutschen Lehrkräfte ist im Vergleich sehr hoch. Als Mann einer Partei der Leistung und des Geldes sollte er eher darauf hinweisen, dass wir pro Euro sicher die meisten PISA-Punkte holen. Das ist effektiv.

Da kann eben nicht jede/r gefördert und die gleiche Leistung wie in anderen Ländern gefordert werden. Das alles verschweigt er, um die deutschen Lehrkräfte als schlecht ausgebildet und unterbelichtet hinzustellen.

Welche Rolle die Lehrkräfte-Ausbildung an der Uni für die Arbeit im Beruf hat, ist strittig. Sie wird in der Regel nicht für entscheidend gehalten. Am wichtigsten ist sicher die Ausbildung an der Schule (Referendariat). Lehrkräftespezifisch ist die Didaktik, die fachlichen Kenntnisse sind Voraussetzung, um den Beruf ausüben zu können. Erwähnung hätte die Kürzung der schulischen Ausbildung durch NRW finden können - das schadet.

Kinkel weiß es nicht, oder es interessiert ihn nicht? Mit seinen angegebenen Zielen hätte er protestieren müssen. Sechs Monate weniger Ausbildung in den Schulen und Klassen - und er redet Theorie über Uni-Inhalte. Viele halten diese Uni-Inhalte für sekundär - für Hintergrundwissen - und die Anwendung in der Klasse für das Allerwichtigste. Dafür werden Lehrkräfte bezahlt - das müssen sie können. Am Studium herumzubasteln ist weniger effektiv.

Auch Kinkel erwähnt die Mitverantwortung der Eltern nach deutschem Recht nicht - obwohl er sie als deutscher Jurist kennt. Statt dessen gibt es Haue für die Unis und die Lehrkräfte im Beruf, weil sie angeblich nicht fit seien.

Die MINT-Aktivitäten (Anm. d. Red.: MINT-Fächer sind Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik) der Kinkel bezahlenden Stiftung sind sinnvoll.

Sie wären Staatsaufgabe, aber unser Staat wertet Bildung von ganz oben her ab. Diese Aktivitäten brauchen vorgebildete und schulfähige Kinder. Deshalb reüssiert diese Förderung nur dort, wo Eltern solche Kinder einschulen. Auch die beste Lehrkraft braucht motivierte Kinder, denn Lernen kann man nicht erzwingen.

Guido Bley, Königswinter

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