Ungerechter Rechtstaat

Zum Artikel "Unser Mindestlohn ist grob gehauen" und zur Zahl des Tages vom 11. August

Der Direktor des Instituts für Arbeitsrecht und Recht der sozialen Sicherheit an der Universität Bonn, Herr Gregor Thüsing, mag theoretisch recht haben, doch die Wirklichkeit der Arbeitswelt sieht in der Praxis ganz anders aus. Die brutale Wirklichkeit zeigt schon die Zahl des Tages auf Seite 7.

Allein die VW-Großaktionärsfamilien Porsche und Piech erhalten in diesem Jahr sage und schreibe 335 Millionen Euro Dividende, und die 50 größten Anteilseigner in Deutschland kassieren zusammen 4,7 Milliarden Euro an Ausschüttungen - etwa eine Milliarde mehr als 2013. Der Mindestlohn von 8,50 Euro garantiert einem Vollbeschäftigten bestenfalls einen mindest-menschenwürdigen Lebensstandard und nicht mehr. Wie würde Herr Thüsing sich wohl äußern, wenn er selbst von diesem Dilemma betroffen wäre?

Nicht ein einziger von denen, die den Mindestlohn kritisieren, sind selbst davon betroffen. Was wir heute in der Wirtschaft sehen, ist ein Kapitalismus viel schlimmer noch als im 19. Jahrhundert, wo die Gutsherren und Schlotbarone für ihre Arbeiter wenigstens für ein Minimum an Sicherheit und Menschenwürde sorgten.

Herr Thüsing sollte als Experte wissen, dass ein Betrieb, der den Mindestlohn nicht zahlen kann, auch nicht lebensfähig ist. Nein, unser Rechtsstaat ist noch nie so ungerecht gewesen wie heute.

Wilfried Meißner, Bonn

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