Streik geht zu Lasten der Allgemeinheit

Zu Berichten und Kommentaren über den Streik bei der Bahn und bei Fluggesellschaften

 Güterzüge stehen auf dem Güterbahnhof der Bahn in Seddin (Brandenburg), nachdem die Lokführer ihre Arbeit niedergelegt haben.

Güterzüge stehen auf dem Güterbahnhof der Bahn in Seddin (Brandenburg), nachdem die Lokführer ihre Arbeit niedergelegt haben.

Foto: dpa

Das Streikrecht ist gesetzlich zugesichert, ursächlich war dafür der Gedanke, den Arbeitnehmern ein straffreies Kontern gegen Maßnahmen der Arbeitgeber zuzusichern. Dieses Recht darf auch Arbeitnehmervertretern (Gewerkschaften) übertragen werden. Insofern wäre alles rechtens.

Nicht aber, wenn eine Gewerkschaft (GDL) sich das Recht herausnimmt, unter dem Vorwand, Tarifverhandlungen zu führen, die Lokführer dazu missbraucht, ihr eigentliches Ziel, nämlich die Verschmelzung mit anderen Arbeitnehmerorganisationen, zu erreichen: Eine mögliche Gehaltserhöhung nimmt man gerne in Kauf. Die jetzt neu gewonnenen Mitglieder bescheren der GDL zusätzliche Mitgliedsbeiträge, die aufgrund der erreichten Gehaltssteigerungen auch noch höher ausfallen.

Ein bauernschlaues Unterfangen, jedoch in meinen Augen ein Missbrauch des Streikrechts zu Lasten von Allgemeinheit und Volkswirtschaft.

Dr. Horst-Dieter Wihler, Sankt Augustin

Jedermann hat gewusst oder hätte es wissen können, welche Konsequenzen die Umwandlung der Deutschen Bundesbahn von einem öffentlichen Instrument der Daseinsvorsorge in ein Privatunternehmen hat.

Dass das beamtete Personal der Deutschen Bundesbahn nicht streiken durfte, ist hinlänglich bekannt. Dass die privatrechtlich angestellten und nach Tarifverträgen bezahlten Lok-Führer der GDL das Streikrecht zur Durchsetzung ihrer Forderungen in Anspruch nehmen, darf niemanden überraschen; der Gesetzgeber hat es doch so gewollt.

Insofern kann ich die wiedergegebene Aussage "Ansonsten finden wir uns bald im totalen Chaos wieder, wenn jede kleine Berufsgruppe ganz Deutschland lahm legen kann" nicht verstehen. Das ist wie bei Goethes Zauberlehrling.

Ortwin Blawert, Niederkassel

Die Schlagzeile Ihres Artikels lautet: "Streiks beendet, Konflikte bleiben." Leider nein. Die Lokführer scheinen schneller zu streiken, als die Druckerschwärze trocknet. Wer soll dafür noch Verständnis aufbringen? Um Missverständnissen vorzubeugen: ich bin absolut für das Streikrecht.

Wenn aber wie hier jedes Jahr Lokführer und Piloten streiken (in diesem Jahr schon zum wiederholten Mal), dann grenzt das eher an eine Machtdemonstration von Monopolisten. Haben andere Arbeitnehmer keine anstrengenden Jobs mit Überstunden? Stattdessen müssen diese auch noch Angst um ihre Arbeitsplätze haben.

Das trifft auf Piloten und Lokführer nicht zu. Große Verantwortung für Passagiere haben neben Piloten und Lokführern auch Busfahrer; vielleicht ist deren Stress durch erhöhtes Verkehrsaufkommen und widrige Wetterlagen sogar noch größer.

Ich finde, auf Verständnis können diese beiden Berufsgruppen bei der Bevölkerung nicht mehr hoffen. Hier wird eine Solitärstellung ausgenutzt und werden Menschen vor schier unlösbare Probleme gestellt, die nur zur Arbeit kommen wollen und womöglich dort mit Kalamitäten wegen ihrer Verspätungen zu rechnen haben. Deshalb sind diese Arbeitnehmer die einzigen, deren Konflikte bleiben, wenn die Streiks nicht endlich ein für allemal beendet werden!

Christa Klein, Bonn

Im ausführlichen Bericht über den Arbeitskampf bei der Bahn sind es nur zwei kurze Sätze, die aufhorchen lassen: "Ja, der Zug fährt. Der Lokführer ist ein Beamter und die streiken nicht."

Als es noch (bis 1994) die Bundesbahn gab, wurde über die "Beamtenbahn" gespottet, so, wie der öffentlich-rechtliche Dienstbetrieb allgemein diskreditiert wird. Es ist immerhin erfreulich, wenn jetzt an die damalige Zuverlässigkeit erinnert wird. Auch die Lokführer dieser Zeit waren mit ihren Bezügen wenig zufrieden. Mag sein, dass es bedauerlich gewesen ist, dass der Bahnbetrieb nicht von der GdL mit einer Handvoll unterrepräsentierter Lokführer lahmgelegt werden konnte. Der Beitrag im General-Anzeiger macht aber zumindest deutlich, was vielen Reisenden erspart blieb, weil die Beamten ihrem Dienst verpflichtet waren und in einer Arbeitsniederlegung nicht Tausende von einer Beförderungsleistung einfach ausschließen konnten.

Volker Fries, Meckenheim

Kann beziehungsweise darf es sein, dass eine Handvoll Arbeitnehmer aufgrund eines (vermeintlichen?) Streikrechts in der Lage ist, das öffentliche Verkehrswesen der Republik praktisch lahmzulegen, Millionenverluste für das betroffene Unternehmen einzufahren, und ihre wie auch immer zu bewertende Rechthaberei letztendlich auf dem Rücken der Kundschaft und vor allem zahlreicher völlig unbeteiligter Bürger mit unabschätzbaren "Kollateralschäden" auszutragen? Zumal die Letztgenannten für diese Unverhältnismäßigkeiten ausgerechnet in einer kulminierenden Ferienzeit künftig über steigende Beförderungspreise auch noch bezahlen müssen.

Es geschieht so in unserem rechtsstaatlich angeblich so wohl geordneten Gemeinwesen, weil die Rechtsprechung sich über die Auswirkungen ihrer Entscheidungen zur sogenannten Tarifeinheit/-pluralität verschätzt und die Politik, sprich der Gesetzgeber, schlicht gesagt geschlafen hat.

Wie lange oder gar überhaupt müssen wir darauf warten, dass derlei Probleme übergreifend angepackt und wirklich sozial gerecht gelöst werden. Die große Koalition hätte dazu die Möglichkeiten. Allein, es fehlt wohl nicht nur eine im Koalitionsvertrag entsprechende programmatische Erklärung, sondern vor allem der Handlungswille.

Hans Schmelcher, Lohmar

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