Pro und Kontra zu Henry Kissinger geht weiter

Zum Artikel "Friedensengel oder Kriegsverbrecher" und Kommentar "Blamabel" von Ulrich Lüke vom 1. April.

 Der frühere US-Außenminister Henry Kissinger bei einem Empfang anlässlich seines 90. Geburtstages in Berlin. Als Namensgeber einer Professur ist er in Bonn umstritten.

Der frühere US-Außenminister Henry Kissinger bei einem Empfang anlässlich seines 90. Geburtstages in Berlin. Als Namensgeber einer Professur ist er in Bonn umstritten.

Foto: dpa

Es ist ein interessanter Zufall, dass Ulrich Lüke in seinem Kommentar ausgerechnet das Wort "blamabel" benutzt, um den Protest gegen die so genannte Henry-Kissinger-Professur abzuqualifizieren. Denn im Rahmen des Dies Academicus im November des vergangenen Jahres bemerkte ein Bonner Asienwissenschaftler während eines Panels zur Henry- Kissinger-Professur, dass er aus dem akademischen Milieu wegen der geplanten Einrichtung der Professur unisono eine Rückmeldung erhalte: Eine Blamage für die Universität Bonn.

Ich nehme an, dass Herr Lüke glaubt, mit seinem Kommentar Schaden von der Universitätsstadt Bonn abzuwenden. Jedoch verwechselt er diejenigen, die auf das Problem aufmerksam machen, mit dem Problem. So schreibt er, Kissinger sei "beteiligt" gewesen an Kriegen und Interventionen. Kissinger war aber nicht nur "beteiligt", sondern nahm eine federführende Rolle ein.

Was ist mit den Interventionen in Lateinamerika? War Kissinger nur "beteiligt"? Den Gesprächsprotokollen nach war seine Rolle eine andere: Zusammen mit Präsident Nixon war er die treibende Kraft hinter der massiven Unterstützung rechter Militärs gegen die demokratisch gewählte Regierung unter Salvador Allende.

Die Untersuchung von Kissingers Rolle ließe sich in den Fällen von Argentinien, Bangladesch und Osttimor fortsetzen. Kissinger ist deshalb noch kein "Kriegsverbrecher", darüber sollten Gerichte entscheiden. In Bonn geht es aber nicht um die Frage, ob wir Kissinger hier vor Gericht stellen können, sondern um die Frage, ob eine solche Ehrung gerechtfertigt ist. Sollten wir ausgerechnet nach Henry Kissinger eine Professur für Völkerrecht benennen? Und hier lautet die Antwort der Kritiker ganz klar: Nein. Nicht der Protest, sondern die Professur ist "blamabel" für die UN-Stadt Bonn.

Lukas Mengelkamp, Bonn

Kissinger: Friedensengel oder Kriegsverbrecher? Bei der Bombardierung Nordvietnams durch die USA war Kissinger Haupttäter. Vor dem Bombenangriff auf Hanoi gab er den persönlichen Rat, die Bomben während des Feierabendverkehrs (Rush Hour) abzuwerfen.

Dann seien sie besonders wirkungsvoll. Das war der Fall. Die Volksrepublik Vietnam wird gern berichten, wie erfolgreich. Die eingangs gestellte Frage ist damit beantwortet.

Manfred Bartsch, Wachtberg

Bei der Diskussion über einen Henry-Kissinger-Lehrstuhl für Internationale Beziehungen sollte Kissingers wissenschaftlicher Beitrag zur Geschichte und Praxis der Diplomatie nicht übersehen werden. Mit seiner Dissertation über die "Staatskunst Castlereaghs und Metternichs" (1957), dem Essay "Kernwaffen und auswärtige Politik (1959), den "Reflektionen über Bismarck" (1968) und weiteren Werken hat Kissinger Methoden außenpolitischen Handelns analysiert und daraus Schlussfolgerungen für die heutige Praxis gezogen. Auch sein Buch "China" (2010) dient diesem Ziel.

Die kritische Würdigung von Darstellungen zu dieser Thematik ist geradezu der Sinn eines Lehrstuhls für Internationale Beziehungen, Völkerrecht und Sicherheitspolitik. Henry Kissinger ist ein sehr geeigneter Namensgeber für eine solche Professur.

Christoph Hinz, Bonn

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