Norbert Blüms "Rundumschlag" gegen die Justiz weiter strittig

Zum Interview von Ulrich Lüke mit Norbert Blüm "Mein Glaube an die Justiz war Kinderglaube" und Artikel "Ein Karlsruher Richter gibt Blüm Kontra", erschienen am 21. Oktober, sowie zum Leserbrief von Peter Bleutge

 Norbert Blüm attackiert in seinem neuen Buch "Einspruch. Wider die Willkür an deutschen Gerichten" die deutsche Justiz.

Norbert Blüm attackiert in seinem neuen Buch "Einspruch. Wider die Willkür an deutschen Gerichten" die deutsche Justiz.

Foto: dpa-Zentralbild

Wenn Herr Blüm den gerichtlichen Vergleich als " Kuhhandel" geißelt, weil Richter nicht gewillt seien, Entscheidungen zu treffen, so verkennt er, dass die Güteverhandlung mit einem auf den Vergleich abzielenden Ergebnis gesetzgeberischer Auftrag ist.

Der Zivilprozess verpflichtet den Richter, in jeder Lage des Verfahrens auf eine gütliche Einigung - sprich Vergleich - hinzuwirken. Der Weg dorthin ist oft schwieriger und arbeitsintensiver als das Absetzen eines Urteils. Die gütliche Einigung dient oft mehr dem Rechtsfrieden als die streitige Entscheidung.

Ähnlich verhält es sich mit der von Herrn Blüm gebrandmarkten Möglichkeit, Strafverfahren durch Zahlung einer Geldauflage einzustellen. Wenn Herr Blüm dabei den Fall Ecclestone anführt, so ist dies plakativ und er wird an jedem Stammtisch Applaus ernten. Nur verkennt Herr Blüm wiederum, dass dies vom Gesetzgeber gewollt und in Paragraf 153 a Strafprozessordnung festgeschrieben wurde.

Auch wenn Herrn Blüm darin beigepflichtet werden kann, dass ein Werteverfall in der Gesellschaft zu verzeichnen ist, der zu Nachdenklichkeit und Betroffenheit An-lass gibt, so darf dies nicht dazu führen, einen ganzen Berufszweig, der der Einhaltung und Durchsetzung von gesetzgeberischen Vorhaben verpflichtet ist, aus Wut heraus zu diffamieren.

Volker Huhn, Richter, Bonn

Der Vortrag von Verfassungsrichter Peter Müller im Arbeitnehmerzentrum Königswinter über die Frage, ob das Bundesverfassungsgericht politisch agiere oder im politischen Raum agiere, war spannend und informativ.

Zumindest so lange, bis Polit-Pensionär Norbert Blüm in einem länglichen Koreferat seine Thesen über die Justiz in Deutschland ausbreitete. Sie gingen nicht nur an der von Peter Müller diskutierten Fragestellung völlig vorbei, sondern strotzten auch vor Verallgemeinerung und Unsachlichkeit.

Natürlich kann Herr Blüm die Dinge so sehen, wie er sie sehen möchte - schließlich haben wir Meinungsfreiheit. Aber wenn er in einem Rundumschlag der Justiz im Allgemeinen Selbstgefälligkeit vorwirft und der Strafjustiz, der Familiengerichtsbarkeit, dem gesamten Familienrecht sowie dem Zivilrecht jedweden Wertebezug abspricht, dann diskreditiert er sich in meinen Augen als ernst zu nehmenden Teilnehmer am politischen Diskurs.

Ob der GA diesem zwei Drittel seiner Seite 3 widmen musste, sei dahingestellt. Die darunter abgedruckten Stellungnahmen von Peter Müller waren kurz, aber treffend.

Dr. phil. Ulf von Krause, Königswinter

Mit seinem Rundumschlag gegen die Justiz drischt Norbert Blüm kräftig auf den Sack, lässt aber den Esel ungeschoren. Ist doch die Justiz nichts anderes als Abbild der Gesellschaft. Kinderglaube ist etwas zutiefst Schönes und Haltbares, er ist der Kitt, der die Gesellschaft zusammenhält und prägt. Als Konrad Adenauer in der Debatte um die dynamische Rente den Satz sagte "Kinder werden die Leute immer haben", äußerte er einen Kinderglauben.

Das Problem ist nicht der Kinderglaube, sondern der Verrat an ihm, Sitte, Anstand, Liebe, Treue, Verlässlichkeit, Verantwortungsbewusstsein, Achtung des Nächsten - die Liste lässt sich beliebig verlängern: allesamt Kinderglauben. Nicht der Kinderglaube ist zu geißeln, sondern die beliebige Hinwegsetzung darüber, der Verrat daran, der dann in hämischer Verdrehung des Begriffs zum "Kinderglauben" à la Blüm wird. So taumelt eine haltlos gewordene Gesellschaft von Verrat zu Verrat dem Abgrund der Beliebigkeit zu, wo nichts mehr gilt.

Hermann Kusterer, Bonn

Die Zivilprozessordnung enthält zwar die Ordnungsvorschrift zur Heranziehung öffentlich bestellter Sachverständiger; tatsächlich gibt es mittlerweile vielfältige andere Sachverständigenformen, auf die Gerichte zurückgreifen wie amtlich anerkannte, staatlich anerkannte Sachverständige, aber auch europaweit zugelassene personenzertifizierte Sachverständige, die ihre besondere Sachkunde ebenso vor Zulassung nachweisen mussten und nach Ablauf der Zulassungsfrist erneut überprüft werden.

Gerichte sind dagegen nicht verpflichtet, alleine öffentlich bestellte Sachverständige heranzuziehen. Die Praxis zeigt, dass die notwendige Eignung im Einzelfall gerade nicht ausschließlich durch öffentlich bestellte Sachverständige sichergestellt ist. Hier kommt es dagegen auf langjährige Zuverlässigkeit, Unparteilichkeit und vor allem hinreichende Berufspraxis an und die Erarbeitung eines entsprechenden Rufes.

Klaus Schröder, Wachtberg

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