Kein Schnaps, bestenfalls reines Glycerin

Zu Artikeln über eine destillierte Fettecke des Künstlers Joseph Beuys

 Aus der Fettecke von Beuys ist angeblich Schnaps gebrannt worden.

Aus der Fettecke von Beuys ist angeblich Schnaps gebrannt worden.

Foto: dpa

Nach mindestens einer Erwähnung in den vergangenen Tagen bringen Sie einen großen Artikel über die angebliche Umwandlung von Beuys' Fettecke in Schnaps. Das ist chemisch unmöglich. Dies wird am Ende der ersten Spalte in einem einzigen Satz eingestanden, aber das irreführende Wort "Schnaps" ist gefallen. Fette sind Glycerinester von Fettsäuren. Werden Fette gespalten, entstehen Seifen.

Der einzige trinkbare Alkohol ist das Äthanol, Bestandteil aller alkoholischen Getränke. Es entsteht durch die sogenannte alkoholische Gärung aus Kohlehydraten (Zucker). Die im Foto gezeigte Flasche enthält also keinen "Schnaps", sondern bestenfalls reines Glycerin.

Werner Benninghoven, Bad Honnef

Als Pfadfinder haben wir gesungen "Die Wissenschaft hat festgestellt, dass Coca Cola Schnaps enthält..." Nach meinem Chemiestudium wusste ich, dass das nicht stimmt.

Schnaps kann man aus Wein, Getreide, Kartoffeln, Reis, vergammeltem Obst, Enzian und sogar aus altem Brot machen. Der Chemiker schafft es sogar - mit sehr viel Energie - Alkohol aus Erdöl, Carbid oder Holz herzustellen. Mir ist aber bisher kein Verfahren bekannt, dass man altes Fett in Schnaps umwandeln kann.

Die Witwe vom "Fett-Künstler" Beuys ist offensichtlich auf zwei Schwindler hereingefallen. Es wäre auch zu schön, wenn ich aus meinem alten Frittenfett einen Rachenputzer destillieren könnte.

Dr. Helmuth Herterich, Sankt Augustin

Nein, jetzt auch noch eine halbe Seite im Feuilleton. Jetzt reicht es aber. Dabei hatte ich ohnehin seit Anfang der Fettecke geglaubt, es handle sich um eine Schnapsidee. Fett in eine Ecke geschmiert als Kunst zu bezeichnen, steht einem Künstler natürlich zu. Dies aber von der Kunstwelt in Ausstellungen und Museen als Kunst zu zeigen, ist abartig und eine Verschwendung von Steuergeldern.

Es wäre einmal interessant, durch eine Umfrage zu erfragen, wie viele Leser des GA einen Fettklumpen als Kunst bezeichnen. Dabei möchte ich einräumen, dass ein wirklicher Künstler in der Lage sein kann, aus fünf Kilo Butter eine künstlerische Form zu schaffen, die dann gekühlt in einem Museum gezeigt wird. In einer Welt, in der das Volk von den Politikern verhohnepiepelt wird, sollte wenigstens die Kunst wahr bleiben.

Die Kunst hat einen hohen ethischen Anspruch, der durch Fettecken und ähnliche primitive Gebilde nicht ins Banale und Lächerliche gezogen werden sollte. Das hat nichts mehr mit Freiheit der Kunst zu tun. Die Annahme, dass ein als Kunst bezeichnetes Gebilde bereits dann seine Aufgabe erfüllt habe, wenn es abgelehnt und deshalb darüber diskutiert wird, ist eine billige Ausrede.

Heinz Emrich, Bonn

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