Ist das Bonner Festspielhaus seriös gerechnet?

Zu den Berichten, dass NRW kein Geld für das Bonner Festspielhaus gibt, kritischen Äußerungen zum Projekt Beethovenfest-Intendantin Nike Wagner und Leserbriefen

Die Ausgabe mit dem Schwerpunkt Festspielhaus ist ein gutes Beispiel dafür, warum man den General-Anzeiger lesen sollte, um lokal im Bild zu bleiben: Beitrag zur Position der Landesregierung auf der Titelseite, ein guter Kommentar und schließlich der ausführliche Blickpunkt zum Thema sowie ein Bericht über die Intendantin des Beethoven-Festes, Frau Nike Wagner. Was will man mehr?

Mir scheint, dass die guten Bürger Bonns auf hohem Niveau lamentieren. Kommentator Ulrich Lüke zitiert einen früheren Ministerpräsidenten: Wüssten die Menschen in Duisburg-Rheinhausen, wie viel öffentliches Geld nach Bonn geht, er würde verprügelt. Dem ist nichts hinzuzufügen. Positiv überrascht hat mich die freimütige Erkenntnis von Nike Wagner: Auch in der Kölner Philharmonie ist Klassik lediglich ein Sahnehäubchen.

Bonn sollte aufhören, mit dem Ladenhüter "Bundesstadt" zu hausieren; Bonn ist Sitz einer renommierten Universität, UN-Campus, Hightech-Standort und Beethoven-Stadt. Nach diesem Alleinstellungsmerkmal lecken sich andere Gemeinden die Finger.

Bonn braucht ein Beethoven-Festspielhaus, das nicht aus Steuergeldern alimentiert wird. Die Stadt hat eine soziale Verpflichtung (Hallenbäder und öffentlichen Büchereien). Wenn dafür Beethovenhalle und Oper geopfert werden müssen, sei's drum! Ich bin völlig schmerzfrei, wenn Bildungsbürger für das Kulturgut Oper tiefer in die Tasche greifen müssen. Modernes Mäzenatentum, wie man es in den Vereinigten Staaten pflegt, ist auch in Bonn der Schweiß der Edlen wert.

Man sollte die leidige Debatte beenden: Bonn braucht ein Beethoven-Festspielhaus. Und die kulturbegeisterten Bürger Bonns und der Region können auf Heller und Pfennig zeigen, wie viel ihnen die Bonner Oper tatsächlich wert ist.

Heinz Schulte, Bonn

Visionen, Ideen, Begeisterung ist das einzige, was die Gesellschaft weiterbringt: Als Vision und Dokument des Glaubens entstand das imposante Bonner Münster, umringt von ärmlichen, kleinen Häusern. Durch diesen beeindruckenden Bau fiel das Auge des Kölner Kurfürsten und Erzbischofs auf Bonn, um dort seine Residenz zu errichten. Einer dieser Kurfürsten war durchdrungen von seiner Leidenschaft für schöne Bauten. Mit den besten Künstlern seiner Zeit gab er Bonn eine noble, großzügige Gestaltung mit Schlössern und Sichtachsen.

Durch diese bauliche Voraussetzung war Bonn Anfang des 19. Jahrhunderts in der Lage, Universitätsstadt zu werden. Die junge, innovative Universität und die Rheinromantik zogen das Bildungsbürgertum magisch an. Es entstanden die wunderschöne Südstadt und das Godesberger Villenviertel. Niemals wäre Bonn Bundeshauptstadt geworden, wenn es diese visionären Entwicklungen nicht gegeben hätte.

Zum Glück gibt es auch heute noch Menschen mit Leidenschaft und uneigennützigem Einsatz für eine Idee. Ohne die "Bürger für Beethoven" wäre das Beethovenfest schon vor Jahren gestorben: 1995/96/98 organisierten sie ohne nennenswerte geldliche Unterstützung, aber mit ehrenamtlichem Elan in Tag- und Nachtarbeit einen Beethovenmarathon, der einfach fabelhaft war und einen förmlich mitriss.

Zu diesen unermüdlich engagierten Bürgern für Beethoven kommt für Bonn noch das große Glück des Einsatzes der Dax-Unternehmen hinzu: Die Post DHL mit dem Architektenwettbewerb und 30 Millionen Euro sowie die Telekom mit ihrer Internationalen Piano Competition alle zwei Jahre.

Trotzdem sind die Seiten des GA gefüllt mit Protest und Gejammer. Wenn diese negative Stimmung das Projekt zu Fall bringen würde, ginge es den Schulen, Schwimmbädern, Bibliotheken um keinen Euro besser. Im Gegenteil, die Stadt müsste die Verbesserung der Akustik in der alten Beethovenhalle alleine zahlen.

Nur Engagierte und Macher bringen Bonn nach vorn, (Kunst!Rasen, Klangwelle, Generationsbauprojekte) sonst ist Bonn bald todlangweilig. Mit einem hervorragenden Konzerthaus wäre Bonn ein länderübergreifender Anziehungspunkt für Menschen, die sich nicht mit dem täglichen Krimi im Fernsehen als "Kulturgut" begnügen. Viel Geld würde nach Bonn zurückfließen.

Brigitta Bosse, Remagen

Am 22. November standen einige Unterstützungsbriefe im GA, die man kommentieren muss. Es wird betont, dass der Musentempel rein privatwirtschaftlich finanziert wird. Als wenn das WCCB nicht Realität wäre. Die Stadt Bonn und letztendlich der Steuerzahler werden kaum eine unbenutzte Ruine stehen lassen können, wenn den privaten Investoren das Geld spätestens beim Betrieb ausgeht.

Auch der Hinweis auf die Ausstellung der Entwürfe mit dem Einwurf, dass alle Nichtbesucher kein fundiertes Urteil fällen dürften, ist schon absurd. Als wenn Styropormodelle die Finanzierung sichern, sie haben noch Geld gekostet. Und die erwähnten "Tausende von Unterstützern" würde ich auch gerne mal sehen.

Wenn es so viele sind, dann kommt ja sicher über Spenden ausreichend Geld zusammen. Liebe Bonner, lasst uns noch aufstehen und diesem drohenden Finanzdesaster zulasten unserer Kinder ein Ende bereiten. Ich weiß auch nicht, ob das gesparte Geld in Schulen, Sport und Nahverkehr geht, aber wenn es anderweitig verbraten wird, dann kann man es noch nicht mal mehr entscheiden.

Otto Schwarz, Bonn

Es ist nicht zu begreifen, dass die Verfechter für den Bau des Festspielhauses die zahlreichen Argumente der Skeptiker mit seltsamen Zahlenspielen rigoros vom Tisch wischen wollen. Es ist schlichtweg falsch, dass "die meisten Bonner" hinter dem großen finanziellen Engagement zu Lasten der städtischen Haushaltsmittel stehen. Auf welche Umfrage beruft sich hier Frau Schmidtmann?

Denn die größte Belastung kommt auf alle Bürger der Bundesstadt zu, wenn die jahrzehntelangen Folgekosten erst einmal voll zu Buche schlagen. Die hohen prognostizierten Besucherzahlen müsste ein kühler Rechner noch einmal ernsthaft hinterfragen. Hier halte ich es mit Nike Wagner, die bereits jetzt den Zeigefinger in die Höhe gehalten hat.

Man kann grundsätzlich für den Bau eines solchen Objektes zum Lobe des großen Sohnes Bonns sein, wenn die immensen Kosten bis zum letzten Cent seriös durchgerechnet sind. Dies ist meines Erachtens noch nicht gelungen.

Alois Schwind, Wachtberg

Wie man hört, geht die Kalkulation von 175 000 Besuchern im Jahr aus. Das wäre jeden zweiten Tag eine Veranstaltung mit 1000 Besuchern. Wo sollen so viele Besucher so häufig herkommen - und mit 1000 wäre das Haus ja auch nur zu zwei Dritteln besetzt. Da kann man sich nur denen anschließen, die da ein mehr oder weniger deutliches Schönrechnen befürchten. Und auch bei der Finanzierung war noch nichts darüber zu hören, wer für die üblichen Kostenüberschreitungen bei solchen Großprojekten einsteht.

Dr. Helmut Hiß, Rheinbach

Wir haben schon jetzt drei multifunktionale Veranstaltungsräume (Beethovenhalle, Oper und den großen Saal im WCCB, der konzerttauglich gemacht werden könnte). Beethovenhalle und Oper sind renovierungsbedürftig, der Saal im WCCB ist, wie das gesamte Projekt, längst noch nicht fertig und schon gar nicht bezahlt.

Reicht das nicht für eine Stadt, die finanziell kurz vor dem Kollaps steht? Ganz abgesehen von den weiteren Hallen in höchstens 80 bis 100 Kilometern Umkreis. Da will man in Bonn 140 000 bis 170 000 Besucher zusätzlich erreichen? Und das für 30 Jahre? Das ist der Zeitraum, in dem sich solche Projekte rechnen müssen. Da ist es mit fünf oder zehn Jahren bei weitem nicht getan. Auch das wird gern verschwiegen.

Hans-Willi Hefekäuser, Bonn

Mutige Worte, wahrscheinlich ist Nike Wagner eine der Wenigen, die tatsächlich klassische Konzerte besucht und deshalb genau weiß, dass die Liebhaber dieser Musik keineswegs für eine Auslastung der Halle sorgen werden. Wer übernimmt übrigens die Baukosten, falls das Projekt nicht im geplanten Rahmen bleibt? Die Augenwischerei, die Baukosten niedrig anzusetzen, damit der Bau überhaupt in Angriff genommen wird, hat ja Tradition bei Bauten dieser Art. Hamburg lässt grüßen.

Birgit Klippel, Bonn

Danke, Frau Wagner. Endlich aus berufenem Munde eine Stimme der Vernunft in der leidigen Debatte. Ihnen kann wahrlich niemand vorwerfen, nichts mit Kultur am Hut zu haben. Demografie, Philharmonie (in Köln), Betriebskosten, das leider nachlassende Interesse an der klassischen Musik, das auch ich bei der "Wiener-Klassik"-Reihe von Prof. Beissel betrübt erlebe - Sie, Frau Wagner, haben die Fakten benannt.

Torsten Henke, Bonn

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