Inklusion erzeugt noch mehr Unruhe

Zur Inklusion und zum Kommentar von Bernd Eyermann "Vor dem Schulstart"

 Gemeinsames Lernen: Die behinderte Schülerin Nicola (re.) wird von einer Mitschülerin in der Neusser St.-Konrad-Schule geschoben.

Gemeinsames Lernen: Die behinderte Schülerin Nicola (re.) wird von einer Mitschülerin in der Neusser St.-Konrad-Schule geschoben.

Foto: dpa

Zu dem Kommentar von Herrn Eyermann über die Eingliederung der behinderten Schüler in die Regelschulen möchte ich folgendes sagen. Ich bin grundsätzlich dafür, dass behinderte Kinder die gleichen Bildungsmöglichkeiten erhalten, wie die nicht behinderten Schüler. Das Problem beginnt aber schon bei der Feststellung der Behinderung in nur körperlich oder geistig behinderte Kinder. Für nur körperlich behinderte Kinder sehe ich keine Schwierigkeiten in der Lernfähigkeit. Dadurch wäre die Erreichung des Lernziels in der Grundschule nicht gefährdet, auch nicht für die Kinder aus Migrantenfamilien aus Osteuropa und den islamischen Ländern.

Für die Grundschüler mit großen Lernschwierigkeiten eignet sich eine Förderschule mit einer geringen Klassenstärke, mit den dafür pädagogisch ausgebildeten Lehrern am besten. Dort werden diese Kinder je nach der Schwierigkeit der Behinderung gefördert und gefordert, um gute Leistungen zu erzielen und in der Berufswelt ihre Chancen zu nutzen.

Die Kinder in den Regelschulen erhalten die Möglichkeit, die Lernziele zu erreichen, um auf weiterführenden Schulen ihr wissen zu erweitern. In der heutigen Berufswelt erhalten die Kinder nur eine Möglichkeit, den erstrebten Beruf zu erlernen. Eine zweite Chance gibt es nicht.

Holger Köste, Bonn-Friesdorf

Natürlich geht es um die beste Lösung für die betroffenen jungen Menschen. Und da ist doch wohl dem empirisch gewachsenen bisherigen Ansatz (auch er ein Kompromiss) unbedingt der Vorzug zu geben gegenüber dem plötzlich zu Norm und Zukunft gewordenen und mit leichter Hand herbeigeführten Experiment Inklusion. Nach liebevoller Betreuung durch engagierte und gut vorbereitete Fachkräfte nun der behördlich geförderte Schubs ins kalte Wasser.

Und: Der Begriff Effizienz scheint zur Mode-Vokabel der Auto-Werbung verkümmert zu sein. Als Lehrer fühle ich mich zunächst einmal der großen Mehrheit verantwortlich, den Wünschen und dem Recht meiner Schüler und ihrer Eltern auf optimale Vorbereitung auf das künftige Leben und die Arbeitswelt, die sie erwartet.

Schon seit langem ist auf den Gymnasien ein fatales Anwachsen der Lerngruppen und damit der Schere zwischen den Talenten zu beobachten. Die Folgen kennt man: Frust und Abschalten bei den Cleveren, weil sie unterfordert sind, Frust und Abschalten bei den gar nicht so Cleveren, weil sie überfordert sind.

Wer da draußen weiß schon, wie schwierig es ist, solche großen und disparaten Lerneinheiten bei der Stange zu halten.

In diese Gemengelage hinein entsteht also jetzt noch mehr Unruhe durch Kinder, die individueller Zuwendung bedürfen, und (bestenfalls) ihre Betreuungspersonen. Wem, um Gottes Willen, soll dadurch gedient sein?

Hartmut Lehbrink, Schalkenbach

Jedem Schüler gerecht zu werden, ist schon jetzt schwer genug und oft nicht ausreichend erreichbar wegen zusätzlicher Erschwernisse durch Sprachdefizite bei Schülern aus Migrantenfamilien und verschärft durch unzumutbar hohe Klassenfrequenzen (in Nordrhein-Westfalen besonders mit 23,6, Baden Württemberg mit nur 19,6). Und wir wissen um bestehende Mängel: Fachfremd werden Vertretungsstunden quasi als Placebo erteilt, die Effizienz ist nahe null. Es fallen in NRW laut Landesrechnungshof 5,8 Prozent des Unterrichts ersatzlos aus (die Lehrergewerkschaft errechnet mindestens acht Prozent), so der General-Anzeiger am 26. Juni.

Es bleibt die Frage, für wen bringt die Inklusion Verbesserung, für die behinderten oder die "normalen" Schüler? Eine Leistungssteigerung für die "normalen" Schüler ist per Inklusion nicht zu erwarten. Inklusion bedeutet zweifellos zusätzliche Belastung und Erschwernis.

Eine Leistungssteigerung der behinderten Schüler dürfte per Inklusion in Zukunft ausgeschlossen sein, denn in Regelschulen wird nie eine ausreichende Anzahl von speziell ausgebildeten Lehrkräften bezahlbar sein, und die nicht speziell ausgebildeten Lehrkräfte werden schlicht überfordert und können dem Anrecht der behinderten Schüler auf spezielle Zuwendung auf keinen Fall gerecht werden - allein schon aus Zeitmangel.

Die unlösbare Aufgabe wird zu Frust der für Inklusion nicht ausgebildeten Lehrkräfte und somit zu schlechten Ergebnissen führen. Wer die heutigen Bedingungen kennt, kann nur zu dem Schluss kommen: Inklusion, als Wohltat propagiert, ist eine von Politikern initiierte Sparmaßnahme, aber keine Verbesserung für benachteiligte/behinderte Schüler und auch nicht für die anderen.

Willi Wrasse, Hennef

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