Im Krieg gibt es immer nur Verlierer

Zum Nahost-Konflikt, Kommentar "Brutal, Brutaler" von Hubert Kleine Stegemann sowie Interview mit Walter Klitz, dem Leiter der Friedrich-Naumann-Stiftung im Nahen Osten

 Israelische Soldaten haben ihre Kampfpanzer an der Grenze zum Gazastreifen postiert.

Israelische Soldaten haben ihre Kampfpanzer an der Grenze zum Gazastreifen postiert.

Foto: dpa

Der für mich ausgewogene Kommentar von Hubert Kleine Stegemann zeigt einmal mehr die ganze Problematik der augenblicklichen Auseinandersetzung zwischen der Hamas und Israel. Leidtragende sind neben den betroffenen Familien in Israel insbesondere die Zivilisten im Gazastreifen.

Welche Ziele die Regierung Netanjahu verfolgt, wird durch seine Äußerungen sowie die seines Vize-Verteidigungsministers anlässlich der Entführung und Ermordung von drei israelischen Schülern deutlich: "Sie wurden entführt und kaltblütig ermordet von Tieren in Menschengestalt", sagte Netanjahu.

Der Vize-Verteidigungsminister Danny Danon kündigte an, nun werde die Hamas "ausradiert". Wenig später wurde in Ostjerusalem ein 16-jähriger palästinensischer Junge entführt und bei lebendigem Leib verbrannt. Die israelischen Täter konnten verhaftet werden, wobei drei der sechs Verdächtigen nach Ermittlerkreisen ein Geständnis abgelegt haben.

Bis heute herrschte der Glaube bei mir - der ich als Kind Bombenrangriffe auf eine Großstadt ab 1941 sehr bewusst miterlebt habe - vor, dass diese Zeit dunkelster Geschichte mit all ihren Schrecknissen endgültig zu Ende sein würde und sich nicht wiederholen könne.

Dass diese Begriffe nun ausgerechnet von einer israelischen Regierung im Zusammenhang mit den Auseinandersetzungen zwischen Israel und der Hamas wieder Verwendung finden, ist für mich unfassbar.

Um nicht missverstanden zu werden: Selbstverständlich hat Israel das Recht, sich gegen Raketenangriffe der Hamas zu verteidigen und seine Bevölkerung zu schützen. Dabei erhebt sich dann aber die Frage nach der Verhältnismäßigkeit - und die ist hier bei Weitem nicht gewahrt.

Karl-Gustav Plöger, Sankt Augustin

Es ist eine Mär zu behaupten, Israel hätte bei seiner Gründung 1948 auf die ansässige Bevölkerung keine Rücksicht genommen und mehr als eine Million Palästinenser vertrieben. Richtig ist vielmehr, dass die arabische Bevölkerung vor dem Krieg floh, mit dem die arabischen Nachbarn Israel überzogen.

Vor der Gründung Israels gab es in der palästinensischen Region nie einen arabischen Staat. Die Region gehörte jahrhundertelang zum osmanischen Reich und wurde 1917 britisches Mandatsgebiet. Die Vereinten Nationen schlugen 1947 für die Region Palästina eine Teilung vor, die von jüdischer Seite akzeptiert, von arabischer Seite aber abgelehnt wurde. Daraufhin gründete sich Israel am 14. Mai 1948.

Tags darauf griffen fünf arabische Staaten Israel an und überzogen es mit Krieg. Viele arabische Bewohner Israels flüchteten vor dieser arabischen Aggression und glaubten, bei den arabischen Nachbarn Zuflucht zu finden. Diese aber sperrten sie in Flüchtlingslager, statt sie zu integrieren. Der Flüchtlingsstatus wird hier - und das ist einmalig auf der Welt - seither vererbt.

Übrigens sind nicht alle Araber aus (Kern-)Israel geflüchtet. Daher sind heute rund 22 Prozent der Israelis Araber. Sie sind in Israel gleichberechtigt und genießen weit mehr staatsbürgerliche Rechte als in irgendeinem anderen arabischen Land.

Aus arabischen Ländern aber wurden rund 800 000 Juden in die Flucht geschlagen, ihr Eigentum wurde konfisziert, die Staatsbürgerschaft meist entzogen. Israel ist keine Anstrengung zu groß, um solche Menschen zu integrieren. Warum vergessen jene, die so gerne über die (Erb-)Flüchtlinge der Palästinenser klagen, die jüdischen Flüchtlinge aus arabischen Ländern?

Brigitte Berge, Bonn

Ihr Interviewer richtete an Herrn Klitz, in Jerusalem stationierter Leiter der Friedrich-Naumann-Stiftung im Nahen Osten, die ebenso übliche wie rhetorische Frage, ob Israel das Recht auf Selbstverteidigung habe, was natürlich bejaht wurde.

Leider hat er versäumt zu fragen, ob denn vielleicht auch die Palästinenser, deren Land 1948 und 1967 von jüdischen Nationalisten (Zionisten) geraubt wurde, und die seitdem entweder außerhalb Palästinas als Flüchtlinge - viele davon noch immer in Lagern - oder innerhalb Palästinas als mehr oder weniger Gefangene oder zumindest Unterprivilegierte leben müssen, dieses Recht haben? Das ist die zentrale Frage, der Herr Klitz wie andere "Freunde Israels" durch ihre Kritik an irgendwelchen Maßnahmen der gerade aktuellen israelischen Regierung aus dem Weg gehen.

Herr Klitz verlangt die Entwaffnung beziehungsweise politische Liquidierung der Hamas zu Gunsten der Wiederbelebung des sogenannten "Friedensprozesses".

Dieser "Friedensprozess" zwischen der israelischen Regierung und der Palästinensischen Autonomiebehörde der PLO war und ist jedoch nichts anderes als ein Rauchvorhang, hinter dem die Kolonialisierung der Westbank durch neue zionistische Siedlungen fortschreitet und an dessen Ende - wenn überhaupt - "bestenfalls" die Einpferchung der Palästinenser in einer Reihe unverbundener Reservate steht, also genau das, was der Hamas ihren Zulauf beschert hat.

Dr. Lothar A. Heinrich, Bonn

Im Krieg gibt es nur Verlierer: Die offiziell Besiegten, die scheinbaren Sieger, die dafür die Rolle des Aggressors einnehmen, und die Außenstehenden, die hilflos zuschauen, wie sämtliche menschlichen Werte mit Füßen getreten werden.

Wenn man von "Waffenruhe zu humanitären Zwecken und medizinischer Versorgung Verwundeter" hört, erreicht die Perversität dieses Spiels ihren Höhepunkt. Wir sind wohl noch sehr weit davon entfernt, jeden Menschen unabhängig von Farbe, Stand, Religion, Bildung oder Geburtsort zu achten.

Jolanda Coppola, Bonn

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