Giordano studierte Menschen in Bad Godesberg

Zum Artikel "Er war ein unbequemer Mahner", erschienen am 11. Dezember

Der kürzlich in Köln verstorbene Ralph Giordano muss insgeheim auch Godesberger gewesen sein, was aber in den in- und ausländischen Nachrufen nicht vermerkt ist: In den 1990er Jahren sah man ihn des öfteren am Godesberger Theaterplatz gegenüber den Kammerspielen, oft mit Notizblöckchen in der Hand. Damals erkannte ihn kaum einer.

Jedenfalls studierte er die Flanierenden und Einkaufenden unbeobachtet, und ich fragte mich als Stammgast des dortigen Cafés immer, was er dort tat. Einmal sprach ich den in Hamburg Geborenen an und er sagte, er schreibe ein neues Buch. Seltsam kam mir das Ganze vor. Man wusste ja, dass er ein bewegtes jüdisches und hernach weltumspannendes Leben als Publizist hinter (beziehungsweise noch immer vor) sich hatte, als ehemaliger KPD-Mann, als Kritiker der neuen Kölner Moschee und unserer Dritte-Welt-Politik. Aber dass er "Anschauungsmaterial" in der Diplomaten- und Badestadt fand, hätte ich nicht erwartet.

Dr. Jan Ulrich Clauss, Bonn-Bad Godesberg

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