Geburt ist keine Krankheit

Zum Leserbrief von Hans Christian Fraenkel zum Artikel "Schwierige Zeiten für Hebammen"

Herr Fraenkel scheint wenig Einblick in die Praxis der Geburtshilfe in Deutschland zu haben. Zwölf Entbindungen bei zwei diensthabenden Hebammen im Krankenhaus, keine Zeit für ausreichende Begleitung, Betreuung und Kontrolle, so dass schließlich ein Notkaiserschnitt erforderlich wird - dies ist nicht die Ausnahme, sondern geschieht häufiger, als man sich vorstellen möchte. Der lebensrettende Eingriff in der Klinik wäre bei einer intensiv begleiteten Geburt im Geburtshaus oder Zuhause höchstwahrscheinlich erst gar nicht erforderlich gewesen, da es dort nicht zu einer solchen Situation gekommen wäre.

Die Zahl der Kinder, die mit perinatalen Schädigungen auf die Welt kommen, liegt bei Hausgeburten - auch in Relation - keineswegs höher als bei Geburten im Krankenhaus. Auch wenn man berücksichtigt, dass problematische Entbindungen, Früh- und Mehrlingsgeburten in der Regel in der Klinik stattfinden und somit das Bild zu Lasten der Klinikentbindung beeinflussen, zeugt es von sehr geringer Sachkenntnis, die Hausgeburt pauschal als Gefahr und Skandal zu bezeichnen. Weiß man heute eigentlich noch, was eine normale, natürliche Geburt ist? Geburt ist keine Krankheit.

In vielen medizinischen Bereichen geht die Tendenz zu minimal-invasiver, ambulanter Behandlung, im Bereich der Geburtshilfe beobachtet man einen entgegengesetzten Trend. Diese Entwicklung hat leider weniger mit medizinischer Notwendigkeit als vielmehr mit Abrechnungspraktiken der Krankenkassen zu tun. Dies wird weder den Hebammen, noch den Müttern oder den Kindern gerecht. Eine traurige Entwicklung.

Hedi Wolters, Swisttal

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