Flüchtlinge nicht dem "Markt" überlassen

Zum Skandal um Misshandlungen von Asylbewerbern durch Wachleute in den Flüchtlingsheimen in Burbach, Essen und Bad Berleburg

 In Burbach wird die ehemalige Siegerland-Kaserne als Notunterkunft für Asylsuchende und Flüchtlinge genutzt. FOTO: DPA

In Burbach wird die ehemalige Siegerland-Kaserne als Notunterkunft für Asylsuchende und Flüchtlinge genutzt. FOTO: DPA

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Angesichts der Vorfälle in einigen Flüchtlingsaufnahmelagern fühlen sich viele Bürger und Politiker berufen von "schrecklichen Ereignissen, Folter, Schande für unser Land" zu sprechen, ohne erst einmal die Untersuchungsergebnisse der Vorkommnisse abzuwarten.

Wer da von Folter spricht, weiß nichts von den Zuständen in den meisten Ländern dieser Erde. Herr Wallet schlägt eine dezentralere Verteilung der Flüchtlinge vor, um durch das Zusammenstoßen unterschiedlicher Kulturen keinen Nährboden für Konflikte zu bereiten. Abgesehen davon, dass Herr Wallet seinen deutschen Landsleuten wohl niemals zugestehen würde mit anderen Kulturen in Konflikt geraten zu dürfen, wie stellt er sich das vor?

Jeder Flüchtlingsfamilie je nach Größe ihre 2- bis 4-Zimmerwohnung? Die Aufnahme in Turnhallen und öffentlichen Begegnungsstätten, die er in diesem Zusammenhang fordert, geschieht längst. Wenn Menschen in großer Zahl innerhalb relativ kurzer Zeit aufgenommen und versorgt werden müssen, lässt sich die Einrichtung von Lagern nicht vermeiden - das war nach dem zweiten Weltkrieg bei den Flüchtlingen und Vertriebenen aus dem Osten so und auch - gerade aktuell - bei den Prager Botschaftsflüchtlingen vor genau 25 Jahren. Die Aufnahme von Flüchtlingen ist keine moralisch - rechtliche Einbahnstraße, von den Flüchtlingen muss man erwarten können, für die Dauer ihres Aufenthaltes - also in vielen Fällen für immer - die Gesetze und Regeln des Gastlandes anzunehmen.

In Europa sind das unter anderem die Achtung der Menschenrechte, das Gewaltmonopol des Staates, Säkularität und nicht die Scharia, das Recht des Stärkeren oder des jeweiligen Religions- oder Sippenführers. Gerade muslimische Flüchtlinge werden damit ihre Schwierigkeiten haben, seltsamerweise auch dann, wenn sie gerade vor den Auswüchsen eben dieser gesellschaftlichen Konstruktionen in ihren Heimatländern geflohen sind. Wenn Europa nicht in der Lage sein sollte, mit aller Konsequenz seine rechtliche Leitkultur von dieser gewaltigen Anzahl von Flüchtlingen einzufordern und durchzusetzen, wird man es in spätestens zwanzig Jahren nicht mehr wiedererkennen.

Nikolaus Asshauer, Much

Ganz offensichtlich hat Innenminister Jäger die Kontrolle über die Flüchtlingsheime verloren. Doch es ist ja auch wesentlich publikumsträchtiger, sich bei Selbstinszenierungen wie Blitzmarathons zu zeigen, als die weniger schönen und von außen nicht bestaunten Hausaufgaben wie Kontrolle der Flüchtlingsheime zu erledigen.

Immer dann, wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist, sprich politische Missstände aufgedeckt und angeprangert werden, wachen unsere Politiker auf und kündigen Konsequenzen an, jedoch nicht ohne noch schnell kundzutun, dass sie solche Vorkommnisse beschämen. Ich erwarte, dass sie ihrer Verantwortung "vor" solchen Übergriffen wie jetzt gerecht werden. Hinterher ist es zu spät.

Hildegard Gräf, Hennef

Die psychische und physische Gewalt gegenüber unseren Flüchtlingsgästen deckt Grundsätzliches auf: Der Staat darf die Fürsorge und Betreuung von Menschen nicht dem freien Markt überlassen. Ob es die Sorge für Flüchtlingen ist oder auch die medizinische und pflegerische Versorgung in Krankenhäusern, muss diese Aufgabe von Organisationen wahrgenommen werden, die keine profitorientierten Interessen verfolgen.

Private Unternehmen werden von der Profitmaximierung geleitet, der Mensch bleibt auf der Strecke. Höchst mögliche Gewinne sind im Dienstleistungsbereich nur zu erzielen, wenn die Personalkosten minimiert werden durch geringe Mitarbeiterzahl oder schlecht qualifiziertes Personal. Wen wundert's, dass es dann zu Übergriffen kommt. Das kapitalistische System ist hier völlig ungeeignet - es sei denn, wir wollen es hinnehmen, dass wir immer schlechter versorgt werden und sich eines Tages nur noch die Vermögenden lebenserhaltende, heilende Gesundheitsversorgung leisten können.

Ernst F. Jochum, Bonn

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