"Es geht um allerschlimmste moralische Verwerfungen"

Zu den Berichten und Kommentaren zur Edathy-Affäre. Der SPD-Politiker muss sich im Februar wegen Besitzes von kinderpornografischem Material vor Gericht verantworten.

 Der frühere SPD-Bundestagsabgeordnete Sebastian Edathy steht in der Sitzung des Untersuchungsausschusses des Bundestages in Berlin. Vor seiner Zeugenaussage dort hatte er bereits ein Statement in der Bundespressekonferenz abgegeben und Fragen beantwortet.

Der frühere SPD-Bundestagsabgeordnete Sebastian Edathy steht in der Sitzung des Untersuchungsausschusses des Bundestages in Berlin. Vor seiner Zeugenaussage dort hatte er bereits ein Statement in der Bundespressekonferenz abgegeben und Fragen beantwortet.

Foto: dpa

Es kann kein Zweifel daran bestehen, dass die Herstellung von Kinderpornos den schlimmsten psychischen Schaden für die betroffenen Jungen und Mädchen anrichtet, sie rücksichtlos ausbeutet, ihre Zukunft und Jugend nachhaltig schädigt. Von daher wird und soll es den "Politiker Edathy" völlig zu Recht nicht mehr geben. Und sicher ist Holger Möhle darin zuzustimmen, dass Edathy die Schuld an diesen Schicksalen "nicht mehr los wird".

Dessen Fehlverhalten, seine Verbitterung, vermischt mit tief gekränkter Eitelkeit, sein Abtauchen - all dies ist jedoch zu trennen von dem, was das Geschehen in der Medienöffentlichkeit ausgelöst hat. Worin besteht denn der "Abgrund" des Skandals? Doch nicht allein in Edathys tiefem Fall und in den Intrigen, die sich aus Selbstschutz und Karriereneid damit verbinden.

Die Tabuisierung des Themas Pädophilie und die Scheinheiligkeit, mit der unsere Gesellschaft davon nichts wissen will, beinhalten für mich den noch schlimmeren Aspekt. Man kann den Eindruck gewinnen, dass der Hass, der sich früher über Homosexualität als Störfaktor in einem festen bundesdeutschen Wertesystems ergoss, hier sein spätes und bequemes Ventil findet.

Wer so verkniffen wie der als Minister verhinderte SPD-Abgeordnete Lauterbach erklärt, er habe mit Edathy "nur aus medizinischem Interesse" sprechen wollen, dann aber jeden Kontakt zu diesem vermieden, zeigt den Mangel an sozialem Interesse in der SPD. Pädophilie ist seit der Antike ein vager, fließender Begriff; sie ist keineswegs automatisch mit "Verbrechen" gleichzusetzen.

Keinem Museumsbesucher, der sich Berninis nackten Knaben als "Dornauszieher" anschaut, werden pädophile Interessen in krankhafter Hinsicht unterstellt. Die Darstellung von Kindern, kaum bekleidet - etwa die Figur Amors, all die kindlichen Engel oder der Jesusknabe - war schon immer ein Kunstmotiv.

Um nicht missverstanden zu werden: Der Missbrauch von Kindern in Familien - mit hoher Dunkelziffer - muss strengstens verfolgt und viel besser verhindert werden. Aber "Neigungen" sind nicht von vornherein kriminell, wenn sie der Normalität nicht entsprechen.

Ingrid Schormann, Rheinbach

Es gibt ja den Begriff des Fremdschämens, der leider oft inflationär gebraucht wird. Im Fall Edathy ist er jedoch absolut treffend. Einen derart arroganten Auftritt habe ich fast noch nie erlebt. Man kann nur mit Abscheu den Kopf schütteln über die unerträglichen Aussagen dieses Herrn vor dem Untersuchungsausschuss.

Es ist mir völlig egal, ob er seine Karriere aufs Spiel gesetzt hat, es ist mir auch egal, ob Fraktionskollegen ihn gewarnt haben oder nicht, und es ist mir sogar egal, ob sein Verhalten justiziabel ist oder nicht. Hier geht's um allerschlimmste moralische Verwerfungen. Wer - außer dem Kommentator Holger Möhle - fragt nach den Kindern und Jugendlichen, die so schamlos missbraucht wurden und darunter ein Leben lang leiden werden?

Was sagt dieser Edathy: "Es war falsch, diese Filme zu bestellen. Aber es war legal." Na wunderbar, dann ist die Welt für ihn ja in Ordnung. Und unser Staat muss ihn dazu auch noch fürstlich alimentieren mit 130 420 Euro?

Das darf doch wohl nicht wahr sein und lässt meines Erachtens alle anderen politischen Missstände vergessen. Mit tut jeder Kleinkriminelle leid, der für geringe Vergehen mit Geld- und Haftstrafen büßen muss. Wie gesagt, mir ist es wurscht, ob er für sein Verhalten verurteilt wird; denn dann steht er schon wieder im Focus der Öffentlichkeit. Völlig unerträglich empfinde ich die Absicht des "Stern", auch noch ein Buch zu veröffentlichen.

Sebastian Edathy hat dann erneut Presse und Öffentlichkeit auf seiner Seite, und er könnte damit nicht unerhebliche Tantiemen "verdienen" (wohl wissend, dass dieser Ausdruck gänzlich falsch ist). Hoffentlich kommt es nicht dazu - und wenn, dann soll kein Mensch dieses Buch kaufen.

Christa Klein, Bonn

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