Es geht um Interessen, nicht um Freundschaft

Zum Leitartikel "Vertrauensbruch" von Holger Möhle, erschienen am 10. Juli

 Das Logo der National Security Agency (NSA): Die USA sind verärgert, dass Berlin den US-Chefagenten ausgewiesen hat.

Das Logo der National Security Agency (NSA): Die USA sind verärgert, dass Berlin den US-Chefagenten ausgewiesen hat.

Foto: dpa

Bevor wir unsere Politiker mit unserer Entrüstung über die Spionagetätigkeiten der USA bei uns zu sehr unter Druck setzen, sollten wir uns die Realitäten ansehen. Realistisch gesehen befinden sich die Staaten der Welt untereinander in einem rechtsfreien Raum.

Vor welchem Gericht wollten wir die USA verklagen? Selbst wenn es eines gäbe und wir würden gewinnen, wer sollte das Urteil durchsetzen? Sicher nicht die Vereinten Nationen. Sollen wir mit unserer Wirtschaftskraft drohen? Allein die US-Staaten Kalifornien und New York haben eine höhere Wirtschaftskraft als Deutschland. Oder sollen wir Gewalt androhen?

Die USA geben doppelt so viel fürs Militär aus wie die gesamte Europäische Union. Sollten wir schmollen? Liegen wir wirklich im Zentrum des Interesses der USA? Nun, Thailand, Taiwan, Japan, die Philippinen, Australien und Indonesien sehen die USA auch als engen Verbündeten an. Wer ist stärker auf den anderen angewiesen? Die USA auf uns oder wir auf die USA? Können wir zum Beispiel auf Geheimdienstinformationen aus den USA verzichten?

Besser nicht! Aus Sicht der heutigen USA sind wir ein netter kleiner Freund, der etwas weltfremd ist und sich zu wichtig nimmt.Was können wir daraus lernen? Nun, vielleicht wie sich ein kleiner Staat fühlt, wenn ein großer und mächtiger ihn nicht wirklich ernst nimmt. Das könnte uns zum Beispiel in der sogenannten Dritten Welt viele Freunde erhalten.

Dirk Schindler, Rheinbach

Dem Vorschlag, den Begriff "Freundschaft" aus dem politischen Vokabular zu streichen, ist grundsätzlich zuzustimmen.

In einer neu aufzumachenden Werteskala sollten etwa die Bezeichnungen Partner/Verbündete emotionslos für interessenbezogene Beziehungen öffentlicher Gemeinwesen und Nicht-Feinde (bis hin zu sogenannten Schurkenstaaten) für Negativerscheinungen aufgenommen und nach Art eines global bereits anderweitig existierenden Rankings gehandhabt werden.

Fragt sich nur, wer hängt jeweils der Katze die Schelle um?

Hans Schmelcher, Lohmar

Die USA sind also verstimmt über die Empörung in Deutschland hinsichtlich der amerikanischen Ausspähaktionen. Ich frage mich, welche Vorstellungen die USA von Freundschaft und transatlantischer Partnerschaft haben. Offenbar meinen sie, ihr Verhältnis zu Deutschland sei das eines Herren zu seinem Knecht.

Der Knecht hat sich nun endlich mal über die bald unerträglichen Abhör- und Ausspähpraktiken seines Freundes und Verbündeten beschwert. Und der ist wegen dieses als unbotmäßig angesehenen Verhaltens arg verschnupft. Schon wird die Keule vorgezeigt und uns Antiamerikanismus vorgeworfen.

Man kann oder will nicht sehen, dass dies der sicherste Weg ist, Antiamerikanismus zu erzeugen, den man in weiten Teilen der Welt beobachten kann. Woher der wohl kommt?

Die Amerikaner können ihn sich nicht erklären. Vielleicht sollten sie mal weniger abhören und ihren Freunden, solange sie noch welche haben, besser zuhören und auch deren Interessen und Befindlichkeiten wahrnehmen.

Die ganze Schnüffelei wird uns immer als das einzig wirksame Mittel gegen den Terrorismus angepriesen. Das ist die Beruhigungspille für die Gutgläubigen.

Zum allergrößten Teil dienen diese Überwachungs- und Ausspähaktionen gigantischen Ausmaßes allein den globalen Macht- und Wirtschaftsinteressen der USA.

Dr. Hansgeorg Sengewein, Bonn

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