Es fehlt an Verständnis für die Pflichten der Apotheker

Zum Artikel "Kein Freibrief für Lieferanten", erschienen am 18. September

 Ein Auto ist trotz gesperrter Zufahrt in der Friedrichstraße abgestellt.

Ein Auto ist trotz gesperrter Zufahrt in der Friedrichstraße abgestellt.

Foto: Barbara Frommann

Wer behauptet, er hätte noch keine Stadt mit so vielen Lieferfahrzeugen in der Fußgängerzone erlebt wie Bonn, der war wohl noch nie in Linz am Rhein. Dort hatte die Stadtverwaltung punktuell die Befahrungs- und Parkregeln deutlich gelockert, weil die Geschäfte in der Fußgängerzone trotz Tourismus vom Aussterben bedroht waren. Dort ist alles enger. Trotzdem motzt keiner! Rücksicht und Toleranz sind hier der Schlüssel zum gemeinsamen Wohl der Innenstadtinfrastruktur! Und wenn sich das Ordnungsamt um die Schwarzen Schafe und Park-Rowdys kümmert, ist es auch gut.

Dass Apotheken mehrmals am Tag von ihren verschiedenen Lieferanten angefahren werden, dafür ist jeder dankbar, der gerade krank ist und schnell sein Medikament bekommt. Dass dies auch am Nachmittag mehrmals der Fall ist, macht Sinn, denn wer nach einem Arztbesuch in der Innenstadt ein Medikament bestellt, sollte es auch rasch erhalten und wieder nach Hause gehen können.

Wer sich nun die Lage der Apotheken und auch vieler Ärzte in Bonn anschaut, wird feststellen, dass viele in der Fußgängerzone liegen. Ein historisch gewachsener Zustand aus Zeiten, wo das so sinnvoll war. Wer heute diesen Apotheken durch striktere Belieferungsregeln das Wasser abgräbt, darf sich morgen nicht beschweren, wenn man zur nächsten Apotheke - insbesondere in Notdienstzeiten - weit fahren oder eben laufen muss. Dass Apotheken zum Teil auch von kranken Patienten direkt angefahren werden können, macht schließlich auch Sinn. Die Apotheken sind durch die Gesundheitsreform schon heute oft in ihrer Existenz bedroht. Wer wie ich auf dem Land wohnt, weiß, dass ihre Ausdünnung längst Realität ist. Die Regelungswut der Stadtverwaltungen geht zu weit und lässt sich gerade in Bonn von notorischen Nörglern, Dauermotzern und Berufskrakelern immer wieder gern aufhetzen, siehe Lärmschutzverordnung. Übrigens: Eine Stadt deren öffentliche Verkehrsmittel so teuer sind, dass eine Alleinfahrt mit dem Auto inklusive Parkgebühr für eine Stunde im Parkhaus billiger ist, als mit den "Öffis" zu fahren, sollte sich auch nicht wundern, wenn die Menschen lieber überall hin mit dem Auto fahren oder gar nicht mehr in die Fußgängerzone kommen.

Tamás Lányi, Rheinbreitbach

Der Hinweis von Bürgermeister Helmut Kollig, dass zwei Belieferungsfahrten für Apotheken an Nachmittagen reichten, echte Notfälle sowieso zum Notarzt oder ins Krankenhaus gingen - dieser Hinweis enthält groben Unfug. Apotheken unterliegen in Deutschland einer ständigen Dienstpflicht, sie sind verpflichtet, diese ständige Pflicht durch Einzelregelungen (Urlaub, Wochenende, Nachtdienst und so weiter) selbst zu organisieren. Das funktioniert auch gut. Der Grund hierfür ist die Versorgungssicherheit der Patienten rund um die Uhr. Die Mitglieder der gesetzlichen Krankenkassen zahlen übrigens im Abgabe-Preis für jedes verordnete Medikament die Sicherstellung der Versorgung mit. Sie haben also einen Rechtsanspruch auf Versorgungssicherheit.

Dazu zählt auch die Sicherstellung der Versorgung bettlägeriger Patienten durch Apotheken-Kuriere rund um die Uhr. Aber die Voraussetzung ist eben, dass Apotheken ein Medikament entweder vorrätig haben oder es kurzzeitig (so rasch es geht!) zu beschaffen in der Lage sind.

Das liegt in der Natur der Sache, weil eine Unterbrechung der Einnahme von Medikamenten für manche Kranke sehr nachteilige Folgen haben kann. Der von Herrn Kollig empfohlene Notarzt wird ein Medikament verschreiben, das dann im Zweifelsfall ebenfalls besorgt werden muss, Fußgängerzone hin oder her.

Die Versorgungspflicht bei Medikamenten und der entsprechende Rechtsanspruch sind keine Schikane der Bewohner von Fußgängervierteln, sondern das sind Errungenschaften in Deutschland. Es war nicht zuletzt die Gesundheitsministerin Ulla Schmidt, Kolligs Parteigenossin, die dieses System zwischen 2000 und 2009 ausgebaut und verbessert hat.

Klaus Vater, Bonn

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort