"Ermittler stoßen an Schranken unserer Grundrechte"

Zum Artikel "Bonner Ermittler stoßen an Grenzen", erschienen am 17./18. Januar

Die Ermittler im Bonner Polizeipräsidium stoßen ohne Vorratsdatenspeicherung an Grenzen.

Die Ermittler im Bonner Polizeipräsidium stoßen ohne Vorratsdatenspeicherung an Grenzen.

Foto: Nicolas Ottersbach

Der Artikel ist ein gutes Beispiel für die verführerische Argumentation der Befürworter der Vorratsdatenspeicherung. Vorratsdatenspeicherung, so liest man dort, sei notwendig, um gegen so schlimme Straftaten wie Terrorismus und Kinderpornografie ermitteln zu können. Und wer kann schon gegen etwas sein, das gegen solch furchtbare Taten hilft?

Dass es eben nicht um solche Straftaten geht, sondern um Bagatellstraftaten, liest man dann an anderer Stelle: Nepper betrügen Menschen am Telefon und per Internet und verursachen einen geringen Geldschaden. Dafür wollen die Befürworter also wirklich die Vorratsdatenspeicherung. Jede Kleinigkeit soll mit diesem Mittel verfolgt werden.

Im Nachhinein kann alles aufgedeckt werden. Privatsphäre existiert nicht mehr. Die Argumente gegen die Vorratsdatenspeicherung tauchen nur am Rande des Artikels auf: Das Bundesverfassungsgericht hat sie untersagt. Der Europäische Gerichtshof hat die Vorratsdatenspeicherung als unverhältnismäßig zurückgewiesen. Die Grenzen, an die die Ermittler stoßen, sind keine technischen, sondern die Schranken unserer Grundrechte. Und trotzdem fordern dieselben Polizeibeamten, die unsere verfassungsmäßigen Rechte und unsere Freiheit schützen sollen, immer wieder diese verfassungswidrige Vorratsdatenspeicherung.

Und wofür sollen wir diese Freiheit aufgeben? Für das Versprechen von mehr Sicherheit. Ein Versprechen, dessen Einhaltung sehr zweifelhaft ist, wie uns die Erfahrung lehrt. Frankreich hat die Vorratsdatenspeicherung. Wie sich auf so tragische Weise gezeigt hat, ersetzt sie keine klassische Polizeiarbeit.

Aber was verlieren wir, wenn in der Hoffnung auf dieses Versprechen auf unsere Freiheit verzichten? Auf nichts weniger als auf die Grundlagen unseres demokratischen Zusammenlebens. Einzelne Kriminelle können furchtbare Schäden verursachen. Aber das französische Volk hat als Antwort auf die Anschläge sehr beeindruckend gezeigt, dass es sich nicht durch einige wenige von seinem Drang nach Freiheit und Gleichheit abbringen lässt. Diese Stärke besitzt auch unsere Demokratie.

Christian Wolf, Bonn

Allein in Bonn 500 Fälle von Internetkriminalität im letzten Jahr ungelöst. Vielleicht werden jetzt auch die letzten Zauderer nervös. Man sollte ihnen einmal das Problem der Vorratsdatenspeicherung erklären.

Da will kein ominöser Datensammel-Krake unschuldige Bürger unter Generalverdacht stellen. Niemand sammelt, die Daten sind vielmehr längst da. Bei den Telefongesellschaften und Internetprovidern, die die bei ihnen entstandenen Verbindungsdaten für ihre eigenen Abrechnungszwecke brauchen. Ist die Bezahlung erfolgt, kann der Kommunikationsunternehmer die Daten löschen. Das tut er natürlich auch.

Es wäre aber sträflich, wenn solche Daten, wenn sie schon mal da sind, bei der Verfolgung und Aufklärung von Straftaten nicht genutzt würden. Vor allem könnten die Ermittler herausbekommen, mit wem der Täter vor der Straftat kommuniziert hatte. Also ähnlich der in jedem Krimi verständlicherweise gestellten Frage: "Mit wem waren Sie gestern Abend zusammen?" Der Staat muss sich aber beeilen; sonst hat der Unternehmer die Verbindungsdaten bereits gelöscht.

Das muss für eine begrenzte Zeitdauer, während der die Strafverfolger ermitteln können, verhindert werden. Die Daten sind dann greifbar, "auf Vorrat". Das muss natürlich durch Gesetz geschehen. Nach Ablauf der festgesetzten Frist mag sie der Unternehmer in den Orkus schmeißen.

Das ist alles. Dafür die ganze Aufregung. Der Aufwand ist minimal, weil die Daten bereits vorhanden sind. Also ran, ihr Mimosen. Die Franzosen sind heilfroh, dass sie bei der Ermittlung des Umfeldes der drei Pariser Attentäter auch auf deren Telekommunikationsdaten zugreifen können. Kein Land mit Vorratsdatenspeicherung versteht die Deutschen.

Dr. Hans Henning Kaysers, Bonn

Laut Kripo liegen also 500 Fälle auf Eis, weil es keine anlasslose Totalüberwachung der Bürger gibt. Da stellen sich mir gleich eine Reihe von Fragen: Wie viele Fälle kann die Kripo nicht lösen, weil Bürger in Deutschland immer noch nicht 24 Stunden am Tag mit GPS, Kamera und Hirnwellensensor überwacht werden? Und was soll eine Totalüberwachung des deutschen Telefonverhaltens bei den genannten Hacking-Fällen nützen?

Die Anrufe und Hacker-Angriffe kommen aus dem Ausland, sie sind kein deutsches, sondern ein internationales Phänomen. Und um an die Anrufer zu kommen, reicht es vollkommen aus, wenn diese über einen einzigen Anruf ermittelt werden können (wenn die Kripo zur Abwechslung mal schnell handelt und ganz normale Daten von Verbindungsnachweisen benutzt). Danach können Anrufe von dieser Nummer ganz normal über eine richterlich genehmigte Abhörung erfolgen, ohne gleich das Grundrecht für ein paar Betrugsfälle zu opfern.

Die Vorratsdatenspeicherung dient nicht der Terrorismusabwehr, sie dient nur zur Bequemlichkeit der Polizei, damit diese nach Gutdünken irgendwann an einem Fall arbeiten kann, statt sich zeitnah darum zu kümmern. Und jetzt bitte nicht sagen, dafür gäbe es nicht genug Beamte. Es kann ja wohl nicht sein, dass staatlicher Geiz der Grund ist, dass wir Bürger unsere Grundrechte verlieren sollen.

Christian Treczoks, Königswinter

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