Empfehlung: Einfach wegbleiben

Zu den Berichten von den Bayreuther Festspielen

Soll doch Castorf seiner Freundin erzählen, was er alles mag: Eisensteins Szene mit dem Kinderwagen auf der Treppe, die Präsidentenköpfe aus Hitchcocks "North By Northwest", Bilder Edward Hoppers. Vielleicht schmiert er ihr dazu noch Senf auf den Bauch.

Aber aus Wagner sollte er solchen Tinnef lassen. Neuenfels' Ratten-Lohengrin: Personen als Versuchsanordnung - was für eine Luftblase. Da könnte man doch die Personen fast aller Theaterstücke als Ratten maskieren, weil sich Ausgangsposition und Entwicklung immer als Versuchsanordnung sehen lassen.

Tannhäuser in der Biogasanlage: Da genügt ein Wort: Aufhören! Kein Wunder, dass sich all das in Bayreuth ereignet, wo ja auch Katharina Wagner zeigt, dass sie sich wichtiger nimmt als ihren Urgroßvater, indem sie aus den Meistersingern, wo auch dauernd von Gesang die Rede ist, sinnlos junge wilde Maler macht. (Der Streit zwischen Tradition und Neuem hat in den "Meistersingern" zudem eine ganz andere Tiefe als das Aufkommen der jungen wilden Maler in den 1970ern: Das war nichts sonderlich mutiges Neues.)

Wenn das Bayreuther Publikum buht, wird es gern als "konservativ" oder "traditionsbewusst" bezeichnet, dabei wehrt es sich doch bloß gegen die Entstellung von Wagners Werk. Statt Kenntnis des Werks und es in der Aufführung zur Geltung zu bringen, stellt sich der Regisseur, auch wenn er die taubste Nuss ist, als der allergrößte Künstler dar.

"Heute ist da viel Egoismus und Selbstinszenierung im Spiel", sagte schon Dietrich Fischer-Dieskau. An allem haben aber nicht nur eitle Wichtigtuer-Regisseure Schuld, sondern auch Publikum und Musikkritik. Statt zu buhen, sollte das Publikum einfach wegbleiben.

Statt emsig verständnissuchend noch die absurdesten oder auch nur unnötigen Änderungen zu erklären, müsste deutlich ein "So nicht" der Musikkritik zu hören sein. Werk und Komponist scheinen aber den Kritikern meist Randerscheinungen zu sein, der Regisseur und seine Untaten kriegen den größten Textanteil.

Alfred Ott, Bonn

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