Der Zustand Bonns ist am maroden Bahnhof ablesbar

Zur Zukunft der Stadt Bonn

 Unter dem Dach des Hauptbahnhofs hängt ein Netz, damit eventuell herabfallende Holzteile aufgefangen werden.

Unter dem Dach des Hauptbahnhofs hängt ein Netz, damit eventuell herabfallende Holzteile aufgefangen werden.

Foto: Ottersbach

Ja, in Bonn gehen die Lichter aus, und ich hätte das vor zehn Jahren nicht für möglich gehalten. Ministerium für Ministerium dezimiert seine Bonner Posten, Verband um Verband zieht nach Berlin. Die SPD-geführten Stadtspitzen der letzten Jahre hinterlassen eine wirtschaftliche und strukturelle Trümmerlandschaft. Trotz sehr üppiger Zuwendungen aus dem sogenannten Ausgleichstopf und sonstiger Strukturhilfen ist Bonn bald pleite. Die kleinkarierte und zahnlose Opposition versteht es bis zum heutigen Tage nicht, aus den eklatanten Politikfehlern Kapital zu schlagen.

Haribo hat Bonn bereits zum Teil verlassen. Die von der Deutschen Bank übernommene Postbank wird wahrscheinlich bald Richtung Frankfurt ziehen. Der Deutsche Herold trägt sich mit dem Gedanken, seinen Firmensitz nach Köln zu verlegen. Auch besteht keinerlei Garantie dafür, dass weitere Schwergewichte wie die Post oder die Telekom auf Dauer mit sämtlichen Unternehmensteilen in Bonn bleiben werden.

Ein Bekannter von mir sagte kürzlich, man könne den Zustand Bonns bereits am maroden Bahnhof ablesen, in den die Bahn offenbar nichts mehr investiert: Es regnet durchs Dach, Netze sind zum Schutz vor herabfallender Teilen aufgespannt. Das vormals mondäne Bad Godesberg droht ein sozialer Problembezirk zu werden.

Was mich jedoch am meisten wundert ist, dass die Bonner Bürger die dramatische Situation ihrer Stadt völlig verkennen. Nur so ist zu erklären, dass sie ihre eigenen Schlächter immer wieder aufs Neue wählen. Offenbar weiß in dieser Stadt niemand, was das Stündlein geschlagen hat: Es geht nicht mehr um die Zahl von Freibädern und um die alberne Klangwelle. Es geht auch nicht mehr um Kunstrasenplätze oder das Frauenmuseum. Nein, es geht um fundamentale Weichenstellungen für die Zukunft Bonns.

WCCB, Festspielhaus, Bahnhofvorplatz, städtebaulicher Masterplan, kulturelles Großkonzept, Wirtschaftsförderung, klare Einhaltung des Berlin/Bonn-Gesetzes oder alternative Kompensation. Diese Themen müssen schnell und effektiv angegangen werden. Es wäre schade, wenn dies in meiner Vaterstadt erst begriffen wird, wenn es zu spät ist.

Dr. Ing. Stefan Gebert, Berlin

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort