Den hohen Erwartungen leider nicht gerecht geworden

Zum Besuch des Papstes in Israel und Palästina

Es ist hoch anzuerkennen, dass der Papst während seines Besuchs in Israel/Palästina positive Zeichen für den interreligiösen Dialog gesetzt hat. Kurz vor dem Papstbesuch verbrachte ich mit der katholischen Organisation Pax Christi eine Woche bei christlichen Familien in Bethlehem. Wir sprachen mit vielen Vertretern palästinensischer und israelischer Organisationen. Christen und Muslime hatten hohe Erwartungen an den Besuch des Papstes, der immer wieder ungeschminkt Probleme beim Namen nennt. Der Leiter des katholischen Priesterseminars in Bethlehem gab uns zu verstehen, dass es in den von Israel besetzten Gebieten nicht um einen religiösen, sondern um einen politischen Konflikt geht.

Die Menschen stöhnen seit 47 Jahren unter dem israelischem Militärregime. Die Trennmauer zwischen Jerusalem und Bethlehem hat Palästinensern Land geraubt und Arbeitsmöglichkeiten genommen. Die Bevölkerung verarmt immer mehr. Die vielen Checkpoints erscheinen mir schlimmer als einst die Übergänge an der DDR-Grenze. Die Palästinenser, meist Christen, sagten uns immer wieder: "Wir wollen nicht weiter gedemütigt, wir wollen als menschliche Wesen behandelt werden."

In Bethlehem kam ich täglich mehrfach an der acht Meter hohen Mauer vorbei, auch an jener Stelle, an der der Papst anhielt, die Mauer berührte und zum stillen Gebet verharrte. Während meines Aufenthalts in der Geburtsstadt Jesu hatte ich mit großer Zustimmung das Apostolische Schreiben des Papstes "Die Freude des Evangeliums" gelesen. Darin heißt es: "Manchmal geht es darum, den Schrei ganzer Völker, der ärmsten Völker der Erde zu hören, denn der Friede gründet sich nicht nur auf die Achtung der Menschenrechte, sondern auch auf die Achtung der Rechte der Völker." Zuvor mahnt der Papst selbst, "konkret zu sein" und nicht bloß allgemeine Hinweise zu geben, weil Religion immer Einfluss auf das soziale Geschehen habe. Darum hätte ich von ihm deutliche Worte und nicht nur stilles Gebet erwartet. Insofern hat sein Besuch im Heiligen Land nicht nur mich, sondern auch viele Palästinenser enttäuscht.

Dr. Martin Breidert, Pfarrer i.R., Bad Honnef

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