Beethoven-Skulptur: Die Debatte geht weiter

Die neue Beethoven-Skulptur von Markus Lüpertz im Bonner Stadtgarten beschäftigt weiter viele Leser.

Ich habe mir nun einige Werke von Markus Lüpertz im Internet angesehen: Sicher, er ist ein schon etwas eigenwilliger Künstler. Man braucht viel Fantasie, um sich an seinen Bilder und Skulpturen heran zu sehen um deren Inhalte zu interpretieren, "was will uns Markus Lüpertz mit seinem Werke vermitteln"?

Wenn aber bei seinem "Schaffensdrang" so etwas wie der "Salzburger Mozart" oder nun der "Bonner Beethoven" heraus kommt, dann merkt selbst ein Kunstbanause: Hier sind "Können und Dilettantismus" im Umgang mit der Materie Bronze an der Realität vorbei gegangen. Man kann sagen: Markus Lüpertz kann keine authentische Skulptur schaffen mit all ihren Proportionen, um diese dann in Bronze zu gießen.

Heinz-Georg Fischer, Bonn

Mir hat sehr der Leserbrief von Andreas Khanal gefallen: "Lüpertz hat sich an das eigentliche, innere Wesen Beethovens herangewagt. Das erfordert viel Mut und Einlassung auf Intimität." Der sensiblen und differenzierten Betrachtung des Werkes habe ich eigentlich nichts hinzuzufügen. Und dennoch kam mir ein Gedanke: Die in Andachtshaltung erstarrten Beethovenverehrer wären vermutlich entsetzt und würden sich angeekelt von ihrem Idol abwenden, wäre es ihnen möglich, einen realen Blick in die Seelenlandschaft des lebenden Beethoven zu tun.

Ich sehe die Plastik von Lüpertz - ähnlich wie es Herr Khanal tut - als mutigen Versuch an, gerade dies zu tun. Wie könnte das Ergebnis schön sein im bürgerlichen Sinne? Für Beethovens Zeitgenossen war das sicher auch seine Musik nicht. Etwa 200 Jahre später ist das "Dramatische bis fast zu Selbstzerstörung reichende" (Khanal) seines Werkes vom Sessel einer Konzerthalle unbeschadet und mit Genuss zu überstehen. Die Plastik kann mir etwas von der Erschütterung des Genies Beethoven nahebringen.

Ursula Dambleff-Uelner, Bonn

Die Aussage von Thomas Kliemann in seinem Beitrag vom 5./6. April, dass die Diskussion über den "Beethoven" von Markus Lüpertz so schwierig wird, weil "80 Millionen verhinderte Künstler oder Kunstkritiker (...) mitreden wollen", halte ich für vollkommen unangebracht. Er setzt sich von diesen 80 Millionen Menschen abschätzig ab. In seiner Argumentation unterscheidet er auch nicht zwischen Feststellungen der Geschichte bezüglich Phänomene in der Kunstszene einerseits und wertenden Aussagen über diese Phänomene andererseits. Letztere werden von Zeit zu Zeit überholt.

In der gegenwärtigen Zeit, wo Kunst keinem Canon unterliegt, wo für manche Betrachter (siehe Leserbrief von A. Khanal, GA vom 4. April) die Kunst nicht mal "ästhetisch sein muss", muss man akzeptieren, dass jeder seine Meinung über Kunstwerke hat und ausdrückt, ohne diese Äußerungen zu disqualifizieren. Was am Ende für die formale Bezeichnung "Kunst" entscheidet, ist Einfluss, Macht - wie sonst auch.

Die aktuelle Diskussion wird schwierig, weil es in dieser Frage gegenwärtig keine Verbindlichkeit gibt, weil das Werk von Markus Lüpertz im öffentlichen Raum für lange Jahre bleiben soll, und weil dort auch demokratische Regel gelten. Und Herr Kliemann darf nicht verlangen, dass alle Betrachter sich wie Herr Khanal "verpflichtet" fühlen müssten, frei von ihren jeweiligen ästhetischen Empfindungen, aus den konkreten äußeren Formen dieses Werkes eine bestimmte innere Aussage des Künstlers herauszulesen (...) oder hinein zu interpretieren.

Pedro Munoz Serrano, Swisttal

Wenn Markus Lüpertz die Welt so kaputt und unvollkommen empfindet, wie das in seinem neuen Werk zum Ausdruck kommt, kann ich das in Teilen durchaus nachvollziehen. Aber was hat das mit Beethoven zu tun? Er sollte das Werk einfach "Selbstdarstellung" nennen, denn es bringt ja wohl seine eigene Gemütsverfassung und Geisteshaltung zum Ausdruck.

Godula Faupel, Bonn

Mit Begeisterung habe ich die Realsatire des Leserbriefs von Andreas Khanal zu Lüpertz' großem Wagnis des "traurigen Helden" Beethoven verschlungen, ist in ihm doch geradezu exemplarisch die Phrasendrescherei moderner Kunstinterpreten enthalten. So gekonnt, wie dies im Leserbrief geschieht, kann der Verfasser eigentlich nur aus der Mitte dieses elitären Kreises schreiben, dem jede prosaische "Andachtshaltung" fern liegt, dafür aber, wie es keinem dilettantischen Kunstbetrachter gelingen kann, längst Beethovens "Größe, die keiner weiteren Erhöhung bedarf", durchschaut hat.

Sonst würde ja der "eigenwillige" Markus Lüpertz nicht "auf diese Erhöhung verzichten", um "sich an das eigentlich, innere Wesen" (Beethovens natürlich) "heranzuwagen". Und was hat er dort angetroffen? Nicht nur dessen "Großes, Gewaltiges und Perfektes", sondern auch das "Dramatische fast bis zur Selbstzerstörung reichende" und nicht zu vergessen: das "Leise, Verletzliche und Sensible, das durch Beethoven in seiner ganzen Bandbreite zur Geltung kommt".

Seltsam: Eine hilfeheischend die zerdepperte Figur hinter dem gequälten Kopf des Meisters die Augen zum Himmel hinauf verdreht, (man muss nur genau hingucken) ist den meisten Experten anscheinend entgangen. Wie ist dieser Blick nur zu interpretieren?

Klaus Altendorf, Bonn

Dieser "Entwurf" für den nächsten Rosenmontagszug ist einfach nur eine Beleidigung gegen den großen "Sohn" unserer Stadt Bonn. Man muss sich fragen, ob dies nicht ein gescheiterter Versuch von Herrn Lüpertz war, die Körperwelten zu imitieren.

Wenn Beethoven diese "Beleidigung" gesehen hätte, wäre er sicher lieber blind als taub gewesen. Wenn das Kunst sein sollte, bin ich stolz, kein Künstler zu sein. Ein entsetzter "Urbonner", der sehr stolz auf Ludwig van Beethoven ist.

Georg Krahe-Walsdorf, Wachtberg

Die vielen Leserbriefe zum Thema "Große oder missglückte Kunst" zeigen eigentlich nur eines: Das Ziel des Künstlers ist vollkommen erreicht.

Es findet ein heftiger und kontroverser Diskurs statt. Das ist doch das, was Kunst heute will. Wir leben weder in der Antike noch im Naturalismus, und jede Zeit hat doch ihren eigenen Stil, sei es Gotik, Romantik, Barrock oder Renaissance.

Hinzu kommt, dass jede Künstlerpersönlichkeit an ihren eigenen und individuellen Stil gebunden ist. Wo Lüpertz draufsteht, muss auch Lüpertz erkennbar sein. Die moderne Kunst soll eben nicht mehr klassische Schönheitsvorstellungen und Ideale offenbaren, sondern eher die Zeit ihrer Entstehung widerspiegeln.

Unsere Zeit besteht jedoch nicht aus purer Harmonie, sondern auch aus Brüchen, Gegensätzen und leider auch Scheußlichkeiten. Beim sonntäglichen Tatort kann man das Gefühl bekommen, dass es den Zuschauern gar nicht abscheulich genug sein kann - und Filme sind doch auch Kunst, oder?

Christa Klein, Bonn

Wenn ich richtig recherchiert habe, gab es im Bonner öffentlichen Raum bisher drei Beethoven-Skulpturen - jede für sich eine eigenständige Interpretation des jeweiligen Künstlers, die aus seiner Beschäftigung mit der Person und dem dramatischen Leben des Komponisten entstanden ist. Alle drei folgen allerdings der klassischen Auffassung von Skulptur.

Jetzt ist eine vierte hinzugekommen, die eine formal viel freiere und gedanklich viel weitergehende Interpretation zeigt. Auch Markus Lüpertz hat sich - wie es alle KünstlerInnen tun - etwas bei seiner Arbeit gedacht, sonst hätte er die Skulptur nicht in dieser Form gestaltet.

Es ist doch gerade der Spannungsbogen zwischen den unterschiedlichen Auffassungen, der die Kunst und die Beschäftigung mit ihr so interessant macht. Und die Zeiten, in denen Kunst nur gefällig und leicht zugänglich sein sollte, sind glücklicherweise schon lange vorbei.

Von Paul Klee stammt der Ausspruch "Kunst gibt nicht das Sichtbare wieder, sondern macht sichtbar". Im Übrigen: Die ebenso zutreffende wie witzige Bezeichnung "Kneethoven" für die Skulptur zeigt, dass das neue Kunstwerk in liebevoll-ironischer Weise angenommen wird.

Michael Krupp, Bonn

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