Argumente zwischen Impfzwang und Entscheidungsfreiheit

Zum Bericht "Immer mehr Kinder ohne Impfschutz" und zum Kommentar "Recht auf Schutz" von Ebba Hagenberg-Miliu, erschienen am 21. April.

 Ein Impfbuch mit markierten Feldern Masern und Polio.

Ein Impfbuch mit markierten Feldern Masern und Polio.

Foto: dpa

Es ist nicht zu glauben: Da treten deutschlandweit knapp 1000 Fälle von Masern auf - das heißt, einer von 80.000 ist betroffen - , und schon bricht eine große Diskussion um das Nichtimpfen in den Medien los. Von den Erkrankten werden voraussichtlich kaum drei Betroffene dauerhafte Schäden davontragen. Aber es wird diskutiert, Tausende nicht geimpfter Kindern zu stigmatisieren und vom gesellschaftlichen Leben auszuschließen. Ärzte weigern sich, Kinder mit Fieber in die Praxis zu lassen, wenn sie nicht geimpft sind. Ich bin sicher, es landen mehr Kinder mit in Praxen eingefangenen Lungenentzündungen auf der Intensivstation als Masernerkrankte. Trotzdem werden Tausende hustende und fiebernde Kinder ins Wartezimmer geschickt.

Das Nichtimpfen mit dem Gehen über eine rote Ampel zu vergleichen ist polemisch, unsachlich und absurd. Ich finde es ungeheuerlich, dass jeder Impfgegner oder Zweifler zum esoterischen Spinner gemacht wird. Kritik ist hier unerwünscht. Neutrale Berichterstattung gibt es nicht. Und genau das würde ich mir wünschen.

Die Masern sind eine schwere, ernst zu nehmende Erkrankung, die dauerhafte Schäden und auch den Tod verursachen kann. Nichts wäre schöner, als wenn man diese Geißel einfach loswerden könnte. Aber so einfach ist es eben nicht. Die Impfung ist kein risikofreier Pieks. Sie kann in seltenen Fällen zu Enzephalitis und damit zu Schwerstbehinderung und Tod führen.

Diverse Verdachtsmomente hat es gegeben, dass Impfungen schwere Krankheiten auslösen können - alle wurden sie ausgeräumt. Aber Tatsache ist, dass die Zahl diverser neurologischer und autoimmunologischer Erkrankungen drastisch steigt; von MS über Autismus bis hin zu Depressionen und Krebs. Die Ursache kennt keiner, aber die Impfungen sind es angeblich nicht. Mich würde interessieren, wie man diesen Nachweis geführt hat. Und vor allem, wer ihn geführt hat. Es gibt Studien, die andere Schlüsse zulassen. Welcher darf ich trauen?

Darf man einem Menschen etwas aufzwingen, was ihn im Zweifel dauerhaft krank macht, weil es 100 andere nicht erkranken lässt, auch wenn unsicher ist, ob sie die Krankheit überhaupt je bekämen? Ich fände es schön, wenn es jedem selbst überlassen wird, ob er sich und seine Kinder impfen lassen will, egal gegen was. Wir leben in einer Demokratie, und ich möchte, dass jeder frei selbst bestimmen kann, was er tut und lässt, ohne behandelt zu werden, als sei er ein potenzieller Mörder. Niemand käme auf die Idee, Motorradfahren den Alkoholgenuss zu verbieten. Das führt jedoch bedeutend häufiger zum Tode, auch von Unbeteiligten.

I.Wauben, Bonn

Danke für Ihren Kommentar, der den Artikel "Immer mehr Kinder ohne Impfschutz" auf den Punkt bringt. Was Ihren Appell an uns Kinderärzte betrifft: Wir klären auf, engagiert und unermüdlich (abgesehen von vereinzelten, alternativ ausgerichteten Kollegen). Bei den sogenannten Impfgegnern ein müßiges Unterfangen; die Eltern haben sich oft lange und gründlich (wo auch immer) informiert, ihre Einstellung steht fest wie eingemeißelt.

Die Argumente sind immer die gleichen: die Experten würden von der Pharmaindustrie gesponsert, die Impfstoffe enthielten Schadstoffe;das Kind sei noch viel zu klein. Ja, eben! Gerade weil unsere Patienten so klein sind, möchten wir sie schützen, ihr Immunsystem trainieren.

Unsere Impfstoffe sind hoch entwickelt und sicher, die Empfehlungen unserer Ständigen Impfkommission haben Hand und Fuß, und was wiegt ein (sehr überschaubares) Nebenwirkungsrisiko gegenüber einer möglicherweise tödlich verlaufenden, vermeidbaren Erkrankung?

Dr.med. Gunhtild Kayser, Kinder- und Jugendärztin, Bonn

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