Abschotten statt retten

Zum Artikel "Bei der Verteilung von Asylsuchenden endet Solidarität in der EU", erschienen am 10. Oktober

 Illegale Einwanderer in einem griechischen Lager.

Illegale Einwanderer in einem griechischen Lager.

Foto: dpa

Deutschland gehört zu den fünf EU-Ländern, die derzeit die Hauptlast tragen. Es liegt damit keineswegs an der Spitze, wie bisweilen in den Medien vermittelt wird, relativiert sich doch unsere Aufnahmebereitschaft von Schutzsuchenden im Verhältnis zur Einwohnerzahl und Wirtschaftskraft. Innenminister Thomas de Maizière beklagt mit Recht das unsolidarische Verhalten vieler EU-Staaten: Eine Quotenregelung müsse her, ebenso eine "gemeinsame EU-Rückführungspolitik".

Damit gesteht er ein, dass die vor zehn Jahren beschlossene Asylzuständigkeitsregelung (Dublin-System) gescheitert ist. Ein anderer, wesentlicher Aspekt kommt hinzu, nämlich die Rettung von Flüchtlingen im Mittelmeer. Aus Kostengründen wird die italienische Regierung in Kürze ihre humane Rettungsoperation "Mare Nostrum" einstellen, mit der seit Oktober 2013 - die Bootstragödie vor Lampedusa mit 366 Toten war der Auslöser - mehr als 100 000 Bootsflüchtlinge auf dem offenen Meer gerettet wurden. Italien fühlt sich allein gelassen. Martin Schulz, Präsident des Europäischen Parlaments, im Oktober 2013: "Lampedusa muss ein Wendepunkt für die europäische Flüchtlingspolitik sein".

Da die europäische Gemeinschaft offenbar nicht gewillt ist, "Mare Nostrum" weiterzuführen, setzt sie nun auf Abschottung durch die vorwiegend für den Grenzschutz zuständige Frontex-Operation "Triton", dieses in einem drastisch reduzierten Rettungsgebiet. Geschätzte 3000 Menschen sind auf dem Weg nach Europa in diesem Jahr gestorben, künftig wird mit noch mehr Todesopfern gerechnet. Die Antwort der EU auf das für Schleuser zunehmend lukrative Geschäft ist zynisch und billig zugleich, die Rettung von Flüchtlingen hat nicht mehr Priorität, tote Schutzsuchende werden künftig billigend in Kauf genommen. Die Flüchtlingspolitik der EU, die 2012 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet wurde, ist desaströs wie menschenverachtend.

Jürgen Haushalter, Meckenheim

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort