S13-Strecke betroffen 263 marode Bahnbrücken werden saniert

BONN · Fast 26.000 Bahnbrücken bundesweit sind beschädigt - ein Großteil davon in NRW. In den kommenden zehn Jahren sollen nun 263 dieser Übergänge ersetzt werden. Betroffen ist davon auch die rechtsrheinische Strecke der S13. In unserer interaktiven Grafiken zeigen wir, welche Brücken im Rheinland wie stark beschädigt sind.

Der Güterzug donnert mit seiner Gesamtmasse von gut 2000 Tonnen über die Brücke, die über die Königswinterer Straße in Bonn-Beuel führt. Sie ist eine von 263 Eisenbahnbrücken, die so stark beschädigt sind, dass sie nicht mehr instand gesetzt werden können.

Sie sind "irreparabel" und gehören in die Zustandskategorie 4: "Die wirtschaftliche Instandsetzung ist langfristig nicht mehr möglich, die Brücken sind aber verkehrssicher", beteuert Herbert Dopstadt von der Deutsche Bahn (DB) Netz AG kürzlich im Verkehrsausschuss des Landtags in Düsseldorf.

Innerhalb der nächsten zehn Jahre sollen 195 ihrer insgesamt 4357 Eisenbahnbrücken in Nordrhein-Westfalen erneuert werden, weitere 75 Brücken sollen bis 2029 folgen. Von den bundesweit 25.919 Eisenbahnbrücken ist ein Drittel in einem kritischen Zustand.

"Ich weiß nicht, wie das bei den zurzeit zur Verfügung stehenden Geldmitteln gehen soll", meint Rolf Beu, bahnpolitischer Sprecher der Grünen-Landtagsfraktion. Denn zu diesen Brücken, die komplett neu gebaut werden müssen, kommen noch 1660 Bauwerke hinzu, die "dringend sanierungsbedürftig" sind.

"Bei dem Geld, das für die Sanierung des Schienennetzes bereitsteht, bräuchte man 100 Jahre, um die Schäden der Zustandsklassen 3 und 4 abzuarbeiten", so Beu. "Die Situation ist dramatisch. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis es in Nordrhein-Westfalen bei den Bahnbrücken ähnlich wie bei den Autobahnbrücken zu häufigeren Sperrungen und Beeinträchtigungen kommt."

Alarm geschlagen hat auch NRW-Verkehrsminister Michael Groschek (SPD). Vor mehr als einem Jahr schon forderte er einen "nationalen Bahngipfel" und erinnerte im Zusammenhang mit den maroden Autobahnbrücken auch daran, dass etwa ein Drittel der Eisenbahnbrücken älter als hundert Jahre alt ist.

Jetzt hat Groschek eine Bundesratsinitiative gestartet. Mit seinen Amtskollegen Winfried Hermann (Baden-Württemberg) und Olaf Lies (Niedersachsen) will er heute auch die übrigen Verkehrsminister bei der Ressortkonferenz in Kiel für die Bundesratsinitiative gewinnen.

Interaktive Karte: So kaputt sind die Bahnbrücken im Rheinland

Danach soll der Bund unter anderem 2,7 Milliarden Euro mehr aus den Steuereinnahmen des Verkehrsbereichs für Infrastrukturmaßnahmen bereitstellen, durch die Ausweitung der Lkw-Maut auf alle Bundesstraßen 2,3 Milliarden Euro zusätzlich erwirtschaften, die Ausweitung der Maut auf alle Straßen und auf Lkw ab 7,5 Tonnen - statt zurzeit zwölf Tonnen - prüfen und die Infrastrukturmittel in zweckgebundenen Fonds und Sondervermögen für mehrere Jahre zur Verfügung stellen.

Groschek beruft sich auf den Abschlussbericht der unabhängigen Kommission "Zukunft der Verkehrsinfrastrukturfinanzierung". Das als "Daehre-Kommission" bekannte Gremium hatte 2012 dargelegt, dass in den nächsten 15 Jahren für den Erhalt der deutschen Verkehrsinfrastruktur mindestens 7,2 Milliarden Euro jährlich fehlen.

"Die Brücken sind alle sicher befahrbar", so eine Sprecherin der DB Netz AG. Eine "interne Kategorie 5" bezeichne Brücken, die "nicht mehr standsicher" sind. Bei der Müngstener Brücke zwischen Solingen und Remscheid habe man ja auch sofort reagiert. Das Bauwerk ist schon seit anderthalb Jahren gesperrt und wird noch bis Mitte Dezember saniert.

Die Brücken werden alle drei Jahre begutachtet und einmal jährlich "in Augenschein genommen". Das Eisenbahnbundesamt komme zu den Prüfungen unangemeldet hinzu, so die Sprecherin. Dabei werden vordringlich Träger, Widerlager, Pfeiler und Wasserabläufe untersucht.

Selbst die Brückenbauwerke, die in der Kategorie 4 sind, können noch fünf bis zehn Jahre befahren werden, meint die Sprecherin. Die Gesamtkosten für den zurzeit bestehenden Sanierungsbedarf schätzt die DB Netz auf rund 30 Milliarden Euro.

Bislang gab es vom Bund nach der Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung jährlich etwa 2,5 Milliarden Euro, in diesem Jahr sind es 2,7 Milliarden. Die DB selbst legt noch mal etwa 500 Millionen Euro zum Schieneninfrastrukturprogramm drauf. "Wir verhandeln zurzeit mit dem Bund um eine Erhöhung der Summe auf 4,2 Milliarden", so die DB-Sprecherin.

Dass Neubauprojekte, wie der Ausbau der S 13-Strecke zwischen Troisdorf und Oberkassel, aufgrund der schlechten Zustände der Brücke auf diesem Teilstück und aufgrund des Investitionsstaus durchs Raster fallen, sieht die DB-Sprecherin nicht: "Das ist ja ein völlig anderer Finanztopf." Wenn man Verkehrsminister Groschek zuhört, stehen die Zeichen für solche Vorhaben indes alles andere als gut.

Groschek fordert, dass "als prioritäres Prinzip" der Erhalt vor Neubau von Projekten festgeschrieben werden müsse. Beu geht weiter: "Statt Milliarden in Prestigeprojekten wie Stuttgart 21 oder den Kauf von Logistikunternehmen im Ausland zu versenken, müssen Bund und Deutsche Bahn sich endlich um den Erhalt der Eisenbahninfrastruktur kümmern", sagt er.

Editorial zur interaktiven Grafik

Das Onlineportal der "ZEIT" hat in einem großen Projekt die Ergebnisse der kleinen Bundestagsanfrage zu maroden Bahnbrücken im gesamten Bundesgebiet ausgewertet. Die dazugehörigen Daten stellten die Redakteure öffentlich zur Verfügung, so dass die Online-Redaktion des General-Anzeigers den entsprechenden Datensatz zu Bahnbrücken im Rheinland leicht weiter bearbeiten konnte. So haben wir unter anderem Angaben zum Standort (Straße und Stadt) einer jeden betroffenen Brücke ergänzt, außerdem lässt sich die Karte nach Schadenszustand filtern.

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