OB-Wahlen in NRW Zwischen Bonn, Essen und Münster

In Nordrhein-Westfalen werden am Sonntag nächster Woche elf Oberbürgermeister, elf Landräte und 155 Bürgermeister gewählt.

 Selbst im Kölner Stadion ist am vorigen Samstag Werbung für die Kölner OB-Wahl gemacht worden. Jetzt ist sie wegen des Wahlzettel-Debakels verschoben worden.

Selbst im Kölner Stadion ist am vorigen Samstag Werbung für die Kölner OB-Wahl gemacht worden. Jetzt ist sie wegen des Wahlzettel-Debakels verschoben worden.

Foto: Thilo Schmülgen

Vor ein paar Tagen, als noch alle Welt davon ausging, dass am Sonntag nächster Woche auch in Köln gewählt würde, gab Hannelore Kraft eine Prognose ab: "Ich gehe davon aus, dass Jochen Ott gewinnt." Dass die SPD-Landeschefin in Nordrhein-Westfalen die Chancen des SPD-Kandidaten auf das Amt des Oberbürgermeisters in Köln kleinreden würde, hätte niemand erwartet. Interessanter war etwas anderes: Die Ministerpräsidentin verband ihre Vorhersage mit einem kräftigen Seitenhieb auf den politischen Gegner.

Dass die Union keinen eigenen Kandidaten aufgestellt habe, "zeigt in aller Deutlichkeit das Großstadt-Dilemma der CDU". Die Replik von CDU-Landeschef Armin Laschet ließ nicht lange auf sich warten: Seine Partei habe "vor einigen Jahren mit einem Programm, das weniger modern war, mehr Großstädte gewonnen", sagte er. Er hätte aber auch darauf verweisen können, dass es in Köln eine ganz spezielle Situation gab.

Monatelang hielten Kölner CDU-Granden Ausschau nach chancenreichen Bewerbern. Auch Laschet schaltete sich immer wieder in die Suche ein. Bis man in der Union die Aussichtslosigkeit des Unterfangens einsah und notgedrungen dem Grünen-Vorschlag, die parteilose Sozialdezernentin Henriette Reker zur gemeinsamen Kandidatin zu machen, zustimmte - vor allem, um eine weitere Wahlperiode mit einem Sozialdemokraten an der Stadtspitze zu verhindern.

Laschet hätte auch den Hinweis geben können, dass die SPD in anderen Städten ähnliche Probleme wie die CDU in Köln hatte. Zum Beispiel in Essen. Da hatte SPD-Chefin Britta Altenkamp im vorigen Jahr noch über ihren Parteifreund, Stadtoberhaupt Reinhard Paß, hergezogen, dieser sei als OB "die falsche Person". Dann aber setzte sich der 59-Jährige in einer Mitgliederbefragung durch - und tritt nun erneut als SPD-OB-Kandidat an. Kein Wunder, dass sich die CDU gute Chancen ausrechnet, mit dem 42-jährigen Ratsfraktionschef Thomas Kufen den 2004 verlorenen Chefsessel im Rathaus zurückzuerobern.

Wenn es gelingt, könnte Laschet Kraft seinerseits einen Spruch entgegenschleudern - so nach dem Motto, die CDU habe gezeigt, dass sie auch in Großstädten wieder gewinnen könne. Schließlich würde die CDU dann wieder einen OB in einer Stadt stellen, die von der Einwohnerzahl her unter den Top Ten liegt. Essen ist die neuntgrößte Stadt Deutschlands. Derzeit sind Wuppertal (Nummer 17) und Münster (Platz 20) die größten deutschen Städte mit CDU-Oberbürgermeistern an der Spitze. Und sowohl Peter Jung in der Schwebebahn-Stadt als auch Markus Lewe in der westfälischen Bischofsstadt haben gute Chancen, ihre Ämter zu verteidigen.

Doch selbst wenn die CDU-Kandidaten sowohl in Essen als auch in Wuppertal und Münster und dazu vielleicht auch noch in Bonn gewinnen würden, Rückschlüsse auf die Perspektiven für die Parteien im Hinblick auf die Landtagswahl im Mai 2017 werden sich kaum ziehen lassen - aufgrund der vielen regionalen Besonderheiten in den Kreisen, Städten und Gemeinden.

Zu denen gehört, dass es in 13 Kommunen mangels Kandidaten gar keine echte Wahl gibt. Zum Beispiel im oberbergischen Wiehl: Nach 36 Jahren hört Werner Becker-Blonigen als Bürgermeister auf - zuletzt gewählt mit einem Stimmenergebnis von über 90 Prozent. Nun schickt sich Ulrich Stücker an, es Becker-Blonigen gleichzutun. Denn der Gummersbacher Beigeordnete hat CDU, SPD und FDP in Wiehl überzeugt, ihn zu unterstützen. Das dürfte eine klare Sache werden.

Mehr Spannung verspricht hingegen etwa die Landratswahl im Kreis Euskirchen, wo es der 64-jährige Günter Rosenke nach 21 Jahren im Amt noch einmal wissen will. Schon 2009 war er nicht mehr von der CDU, seiner politischen Heimat, aufgestellt worden, hatte sich als Parteiloser aber durchgesetzt. Jetzt startet die Union mit Manfred Poth, Rosenkes Vertreter in der Kreisverwaltung, einen neuen Versuch, den Platzhirsch zu verjagen. Und dann wäre da noch SPD-Kandidat Guido Maassen, der sich jüngst anzünden wollte, um zu beweisen, dass er "Feuer und Flamme" für die Politik sei.

Vielfach suchten die Parteien nicht nur in den eigenen Reihen, sondern auch öffentlich nach Kandidaten. Die SPD in der Stadt Euskirchen startete zum Beispiel in der WDR-Lokalzeit einen Aufruf. Auf den hin meldete sich der 27-jährige Sankt Augustiner Michael Möwes. Er wurde eingeladen und überzeugte die Genossen in der Stadt. Jetzt macht er gegen Amtsinhaber Uwe Friedl (CDU) Wahlkampf mit dem Slogan "Nase voll von Friedl-Freude-Eierkuchen-Politik".

Möwes ist dem Kandidaten-Mindestalter von 23 Jahren noch gar nicht so lange entwachsen. Ein Höchstalter gibt es im Gegensatz zu früheren Jahren nicht mehr, so dass auch Politiker wie Thomas Nickel noch eine neue Herausforderung suchen können. Der 68-Jährige, der in Neuss das gesellschaftlich hohe Amt des Schützenpräsidenten inne hat, war viele Jahre Direktor einer Versicherung, dazu jahrzehntelang ehrenamtlich in städtischen Gremien und als Vorsitzender des Diözesanrates der Katholiken im Erzbistum Köln aktiv. Dass er Bürgermeister seiner Heimatstadt werden will, hat er übrigens mit seinem Nachfolger als oberster Laie im Erzbistum gemein: Tim Kurzbach (37) will Bürgermeister seiner Heimat Solingen werden. Während Nickel als Kandidat der CDU ins Rennen geht, hat Kurzbach die Unterstützung seiner SPD und die der Grünen.

Warum gewählt wird

Am Sonntag nächster Woche wird die Stadtspitze überall gewählt, wo bei der regulären NRW-Kommunalwahl im Mai 2014 noch nicht gewählt wurde - also in 155 von 373 kreisangehörigen Städten und Gemeinden, in elf von 31 Kreisen sowie in elf von 23 kreisfreien Städten, unter anderem in Bochum, Mülheim, Leverkusen, Oberhausen, Herne und Krefeld. Sollte kein Kandidat die absolute Mehrheit gewinnen, kommt es am 27. September zur Stichwahl zwischen den beiden Bestplatzierten. In Köln ist nach dem Wahlzettel-Hickhack der erste Durchgang für den 18. Oktober angesetzt worden, eine mögliche Stichwahl für den 8. November.

Dass nur rund die Hälfte der Bürger im Land zur Wahl aufgerufen ist, hat mit zwei Wahlrechtsreformen zu tun. Die CDU/FDP-Koalition (2005-2010) wollte die Position der Rathaus- und Kreishausspitzen stärken und beschloss, die Persönlichkeitswahl von der Wahl der Räte und Kreistage zu entkoppeln. Statt einer fünfjährigen Amtszeit erhielten die Gewählten 2009 ein Mandat für sechs Jahre.

SPD und Grüne aber drehten das Rad wieder zurück und vereinbarten, dass es ab 2020 wieder gemeinsame Kommunalwahlen geben soll. Um das zu ermöglichen, wurde die Amtszeit der Räte um eines auf sechs Jahre verlängert. Die Bürgermeister und Landräte konnten ihr Amt ein Jahr früher zur Verfügung stellen. Gut die Hälfte der Hauptverwaltungsbeamten, die dafür infrage kamen, machte davon Gebrauch - zum Teil sicherlich auch, um die Kassen zu entlasten.

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