Zu viel Jod kann schaden

Fragen und Antworten aus der GA-Telefonaktion über die Schilddrüse und ihre Erkrankungen

Zu viel Jod kann schaden
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In Deutschland leidet jeder dritte bis vierte Erwachsene über 45 Jahren an Schilddrüsenproblemen. Bei jungen Erwachsenen gehen die Zahlen aber zurück – dank einer gegenüber früheren Zeiten verbesserten Jodversorgung, nicht zuletzt auch durch die Jodbeigabe im Brot.

Die Ursachen für Schilddrüsenerkrankungen sind so vielfältig wie die möglichen Symptome. Eine gezielte Untersuchung zur Früherkennung ist noch nicht etabliert. Dennoch beschäftigt das Thema Schilddrüse viele Menschen.

Das zeigte die kürzliche bundesweite Telefonaktion des General-Anzeigers in Zusammenarbeit mit dem Deutschlandfunk. Rede und Antwort standen Professor Hans-Jürgen Biersack, Direktor der Klinik und Poliklinik für Nuklearmedizin der Universität Bonn und Leiter des dortigen Schilddrüsenzentrums, und Professor Andreas Hirner, Direktor der Chirurgischen Klinik des Uniklinikums. Hier eine Auswahl der wichtigsten Fragen und Antworten.

Frage: Wie äußern sich Schilddrüsenerkrankungen?

Oft in dramatischen Auswirkungen auf den Hormonhaushalt. Die einfachste Schilddrüsenerkrankung, der Kropf (Fachausdruck: „Struma“), ist eine gutartige Vergrößerung der Schilddrüse, bei der die Hormonproduktion aber in der Regel normal bleibt.

Anders sieht es bei einer Unter- beziehungsweise Überfunktion aus. Werden nicht genügend Schilddrüsenhormone produziert, sind Leistungs- und Konzentrationsschwäche die Folge, Müdigkeit sowie gesteigerte Kälteempfindlichkeit. Die Symptome ähneln häufig denen einer Depression.

Ein Anzeichen kann auch die Gewichtszunahme trotz gleich bleibender Ernährung sein. Patienten mit einer Schilddrüsenüberfunktion dagegen klagen über Nervosität, Hitzewallungen, Gewichtsabnahme und unregelmäßigen Puls. Dabei bildet die Schilddrüse die sogenannten „kalten“ oder „heißen“ Knoten. Manchmal ist auch eine Störung des Immunsystems Ursache für Schilddrüsen Fehlfunktionen, etwa beim Hashimoto-Syndrom. Weitere Beschwerden können Entzündungen der Schilddrüse oder Tumore sein.

Frage: Was ist das Hashimoto-Syndrom?

Eine Autoimmunerkrankung, die zu einer chronischen Entzündung der Schilddrüse (medizinisch: Thyreoiditis) führt. Bei dieser Erkrankung kommt es zur Zerstörung des Schilddrüsengewebes durch T-Lymphozyten. Darüber hinaus ist eine Antikörperbildung gegen schilddrüsenspezifische Antigene nachweisbar.

Die Krankheit wurde nach dem japanischen Arzt Hakaru Hashimoto (1881- 1934) benannt, der sie 1912 als erster beschrieb. Sie ist oft eine Nebenwirkung bei hoher Jodaufnahme – und weil die japanische Küche viel Seefisch und auch Seetang verwendet, nehmen Japaner normalerweise sehr viel Jod auf.

Frage: Heißt das, zu viel Jod ist schädlich?

Ja, man kann bei der Jodaufnahme auch des Guten zu viel tun. 0,2 Milligramm pro Tag gelten als Richtwert der Weltgesundheitsorganisation WHO. Einmal in der Woche Seefisch zu essen, reicht dafür oft aus.

Frage: Wie werden Fehlfunktionen der Schilddrüse behandelt?

Eine Unterfunktion in der Regel mit Tabletten, das ist meist problemlos. Bei Überfunktion, der häufigsten Fehlfunktion der Schilddrüse im Erwachsenenalter, ist es in der Regel mit Tabletten nicht getan. Sie bedarf oft anderer Behandlungsformen, zum Beispiel einer Radiojodbehandlung bis hin zu operativen Eingriffen.

Frage: Wann kommt es bei Schilddrüsenerkrankungen zur Operation? Und was geschieht dabei?

Eine Operation wird in der Regel bei sehr großen Kröpfen mit Behinderung der Atmung oder des Schluckens, bei heißen oder kalten Knoten, bei Morbus Basedow oder bei Schilddrüsenkrebs durchgeführt. Der Chirurg entfernt dabei üblicherweise die krankhaft veränderten Schilddrüsenanteile bis auf einen kleinen Restlappen.

Unter bestimmten Bedingungen werden nur einzelne, isolierte Knoten herausgeschält. Bei Diagnose von Schilddrüsen-Tumoren ist häufig die operative Entfernung der gesamten Schilddrüse notwendig.

Frage: Kommt der Körper denn einfach so ohne Schilddrüse aus?

Um den Körper weiterhin mit lebenswichtigen Hormonen zu versorgen, müssen die Betroffenen regelmäßig und Zeit ihres Lebens Tabletten einnehmen. Mittels Bluttests lässt sich die Regulierung dem Bedarf anpassen. Müssen auch die Nebenschilddrüsen entfernt werden, reguliert die Einnahme von Vitamin-D- oder Kalzium-Tabletten den Kalziumspiegel des Blutes.

Außerdem wird nach der Operation meist eine weiterführende Behandlung mit Jodid- und/oder Schilddrüsenhormontabletten durchgeführt. Dadurch wird zum einen ein erneutes Wachstum der restlichen Schilddrüse verhindert, zum anderen eine möglicherweise verminderte Hormonproduktion durch die kleine Restschilddrüse ausgeglichen.

Frage: Wie groß ist die Gefahr von Problemen bei der OP?

Es gibt heutzutage bei einer Schilddrüsenoperation nur sehr selten Komplikationen. Diese OPs werden so häufig durchgeführt, dass sie als Standardeingriff gelten. In seltenen Fällen können die Stimmbandnerven der Patienten angegriffen werden, da sie praktisch von der Schilddrüse „umschlossen“ werden. Meist handelt es sich dabei aber nur um eine vorübergehende Funktionsstörung, die sich wieder zurückbildet.

Ebenfalls in seltenen Fällen können die Nebenschilddrüsen, die den Kalziumstoffwechsel des Körpers regulieren, geschädigt oder unbeabsichtigt entfernt werden. Insgesamt gibt es aber vier Nebenschilddrüsen, so dass meist die noch gesunden die Funktion der ausgefallenen mit übernehmen, vorübergehend kann jedoch die Einnahme von Kalziumtabletten erforderlich sein. Ist die Restschilddrüse zu klein für eine zureichende Hormonproduktion, kann eine Schilddrüsenunterfunktion entstehen, die durch die Einnahme von Schilddrüsenhormontabletten ausgeglichen werden kann.

Frage: Ich habe von einer „Radiojodtherapie“ gehört. Was ist das?

Bei stark vergrößerter Schilddrüse, heißen Knoten, Morbus Basedow oder bei einem erneutem Kropfwachstum nach einer Operation wird meist eine solche Therapie vorgenommen, wenn eine Operation nicht so günstig erscheint. Sie verwendet radioaktives Jod, das sich genauso wie normales Jod vom Schilddrüsengewebe und Jod speichernden Krebsmetastasen der Schilddrüse angereichert wird.

Wenn das Radiojod radioaktiv zerfällt, erzeugt es überwiegend „Beta-Strahlung“. Sie hat im menschlichen Gewebe eine sehr kurze Reichweite (etwa zwei Millimeter) und wirkt, weil sich das Radiojod in der Schilddrüse ansammelt, sehr gezielt nur auf dieses Organ. Der Nachteil ist, dass die Therapie zwischen krankem und gesundem Gewebe nicht „unterscheiden“ kann:

Die Schilddrüse wird daher vollständig zerstört.Die Behandlung mit Radiojod darf bei Schwangeren und Stillenden sowie bei kalten Knoten nicht angewendet werden.

Frage: Wie läuft die Behandlung ab?

Meist erhält der Patient das Radiojod in Form von einer Kapsel, die für den Einzelnen individuell dosiert wird. Es ist weder zu schmecken noch zu fühlen. Gelegentlich kann ein Anschwellen der kranken Schilddrüse auftreten. Das von der Schilddrüse nicht aufgenommene Radioiod (etwa 50 Prozent der eingenommenen Menge) wird mit dem Harn ausgeschieden und über besondere Toilettenanlagen gesammelt, so dass die radioaktive Substanz nicht in die öffentlichen Abwässer gelangt.

Frage: Wenn radioaktives Jod verwendet wird, sind doch bestimmt Sicherheitsmaßnahmen nötig?

Während der Behandlung müssen die Patienten aus Strahlenschutzgründen etwa vier bis acht Tage auf der nuklearmedizinischen Station verweilen. In solchen „heißen Stationen“ gibt es in Deutschland etwa 1000 Behandlungsplätze. Während der Quarantäne können sich die Patienten innerhalb der Station frei bewegen, Besuche durch Angehörige und Freunde sind allerdings nicht möglich.

Frage: Wie geht es nach der Therapie weiter?

Nach der Entlassung kann der Patient sein Alltagsleben wie gewohnt weiterführen, sollte in den ersten Wochen jedoch engen Kontakt mit strahlenempfindlichen Personen sowie Schwangeren und Kleinkindern vermeiden.

Wie auch nach einer Operation ist nach der Therapie meist die Gabe von Jodidtabletten und/oder Schilddrüsenhormon-Tabletten notwendig, um ein erneutes Schilddrüsenwachstum zu verhindern oder die durch die Radiojodbehandlung eingeschränkte Leistung der Restschilddrüse zu unterstützen.

Auswertung: Ludger Gerhards

Informationen Die Schilddrüse (lateinisch: Glandula thyroidea) gehört zu den endokrinen Drüsen. Sie befindet sich am Hals unterhalb des Kehlkopfes vor der Luftröhre. Beim Menschen hat sie die Form eines Schmetterlings und liegt schildartig unterhalb des Schildknorpels vor der Luftröhre, was Anlass für ihre Benennung war. Die Schilddrüse produziert zahlreiche Hormone, mit denen der Körper vielseitige Stoffwechselprozesse reguliert, beispielsweise die Herz-Kreislauf- Funktionen, das Körperwachstum, den Muskulatur- und Knochenstoffwechsel sowie den Energie- und Mineralienhaushalt.

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