In fünf Jahren wird alles wieder gut Was von der documenta 14 bleiben wird

Bonn · Von „krachend gescheitert“ bis „überambitioniert“ und „freudlos“ war über die documenta 14 zu lesen. Was bleibt am Ende übrig?

 Blick auf eine Arbeit von Lorenza Böttner in der Neuen Galerie in Kassel.

Blick auf eine Arbeit von Lorenza Böttner in der Neuen Galerie in Kassel.

Foto: picture alliance / Uwe Zucchi/dp

Documenta-Experte Harald Kimpel sprach von einer „Mitleidsdocumenta“, bei der einem „die Traumata von Menschen aus aller Welt kommentarlos vor die Füße geworfen werden“. In der „Welt“ war zu lesen: „Eine Katastrophe ist sie nicht. Sie ist in ihrer präpotenten Rechtschaffenheit über weite Strecken langweilig und in ihrer rigiden Lustverweigerung ziemlich lustabtötend.“ Autor Joachim Müller hatte hier den documenta-Ableger in Athen im Blick. Für die Station in Kassel hätte dieses Statement auch gepasst.

Wir sahen in Kassel viel gut Gemeintes, aber wenig Gutes, Kunst, die allein als Beleg für politische Überbauten, als Stichwortgeber für gesellschaftliche, postkoloniale, Globalismus- und Ökodebatten zu funktionieren hatte. Eine Ausstellung als bunte Börse für Aktivisten und politische Scharlatane. Und wir sahen vieles, das in einer Sphäre des Exotismus und Ethno-Kitsches stecken blieb – weil die documenta nötige Erklärungen und Informationen über den Kontext hartnäckig verweigerte. Und was hätte man aus den neuen Locations, dem unterirdischen Kulturbahnhof und den ruinösen sechs Glaspavillons an der Kurt-Schumacher-Straße, alles machen können. Potenzial verschenkt.

Was von der documenta 14 bleiben wird? Der Vorhang aus Rentierschädeln der nordnorwegischen Tierschützerin Máret Ánne Sara und der eins zu eins nachgebaute Parthenon der Argentinierin Marta Minujíns dürften als beste Selfie-Kulissen in Erinnerung bleiben – mehr aber auch nicht. Die von Ibrahim Mahama von Jutesäcken verhüllten Torhäuser von Kassel entwickelten sich zu Publikumsmagneten – nicht nur der Insta-gram-Gemeinde. Die alte „Neue Post“, eine marode Betonfestung im hässlichen Nordteil der Stadt, hat sich – bei allen Schwächen – als neuer Spielort bestens eingeführt. Hier gibt es einiges zu entdecken: Etwa das Video „77sqm_9.26min“ (2017) das die Ermordung des 21-jährigen Halit Yozgat in seinem Internetcafé im Jahr 2006 rekons-truiert – neuntes Opfer des NSU. Oder die spannende Migrationsrecherche des Palästinensers Ahlam Shibli in Kassel, die von einer von Vertriebenen aus dem Egerland betriebenen Weberei in einem ehemaligen Straflager bis zum „FC Bosporus Kassel“, zum „Club Juvenil“, zum „Café Zanetti“ und zum Haus der Alevitischen Glaubensgemeinschaft reicht.

In der fürchterlich trocken und bisweilen lieblos bespielten „Neuen Galerie“ fallen Annie Sprinkles und Beth Stephens' erotische Kammer und das Manifest „25 Ways to Make Love to the Earth“ aus dem Rahmen. Maria Eichhorns Raubkunst-Doku über Gurlitt & Co. und ihr „Rose Valland In-stitut“ gehen unter die Haut. Hier reimt sich documenta auf Dokument. Was uns bewegt hat: Miriam Cahns verstörende Bilder, die Erschießungs-Performance von Regina José Galindo, die Phantasmagorien von Roee Rosen, der den „Kaufmann von Venedig“ subtil umgearbeitet hat. Auch das bizarre Antikenprojekt des Zweierkollektivs Prinz Gholam faszinierte. Worauf wir vertrauen: Dass mit der nächsten documenta alles wieder gut wird.

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