Tausende Tonnen Stahl stürzen in den Rhein

Vor 60 Jahren sank die Brücke von Remagen in sich zusammen und riss 30 Pioniere mit in den Tod

  Fassungslos  standen die Soldaten der amerikanischen Sanitätstruppen am Ufer, als die Tonnenlast der Brücke in sich zusammenbrach.

Fassungslos standen die Soldaten der amerikanischen Sanitätstruppen am Ufer, als die Tonnenlast der Brücke in sich zusammenbrach.

Foto: Rolf Plewa

Remagen/Erpel. 4 642 Tonnen Stahl, 325 Meter lang mit einem Mittelbogen von 155 Metern, 1916 begonnen, 1918 fertiggestellt, für den Ersten Weltkrieg erschaffen, den Zweiten Weltkrieg um Tage, wenn nicht um Monate verkürzt: die Brücke von Remagen bei Rheinkilometer 632,8.

Generalstabschef Erich Ludendorff wollte den Stromübergang, um im Ersten Weltkrieg eine bessere und schnellere Verbindung zwischen dem Ruhrgebiet und der Westgrenze zu haben, die Amerikaner nutzten ihn, um durch die Zangenbewegung die deutschen Truppen im Ruhrgebiet einzuschließen, und zur Kapitulation zu zwingen. Der Plan ging auf.

Eigentlich wollten die von Westen vorrückenden Alliierten mit einem gewaltigen Aufgebot an Material erst am 1. Mai 1945 über den Rhein setzen. Denn General Eisenhower ging in seinem Reimser Hauptquartier nicht davon aus, dass noch eine intakte Brücke über den Mittelrhein führte. "Ich wollte meinen Ohren nicht trauen", gibt Eisenhower später zu Protokoll und: "Die Brücke ist ihr Gewicht in Gold wert", wurde ihm in den Mund gelegt.

Der deutschstämmige Karl H. Timmermann, der am 6. März in Meckenheim das Kommando über die A-Kompanie der 9. US-Panzerdivision übernommen hatte, sollte zum Held werden, als er mit seinen Mannen am 7. März die Brücke im Handstreich nahm, wissend, dass das Bauwerk jeden Moment in die Luft fliegen konnte, nichtwissend, dass ein Granatentreffer das Stromkabel für die Zündung zerstört hatte.

Unteroffizier Faust hatte sich bei Hauptmann Friesenhahn freiwillig gemeldet, um unter dem ständigen Beschuss der Amerikaner eine Notzündung vorzunehmen. Faust war auf dem Rückweg zum Erpeler Tunnel, in dem sich zahllose Zivilisten aufhielten, als die Ladung minderwertiges "Donnerit" in die Luft ging. Die Brücke hob sich in den Lagern, sackte ab - und stand.

Mit 120 Mann stürmte Leutnant Timmermann über die Brücke. Alex Drabik war der erste GI, der seinen Fuß auf die rechte Rheinseite setzte. Deutsche Zivilisten zeigten im Tunnel die weiße Fahne, Kampfkommandant Willi Bratge forderte die deutschen Soldaten auf, die Waffen zu strecken. Dies geschah.

Innerhalb der nächsten 24 Stunden wurde der amerikanische Brückenkopf auf 8 000 Mann erweitert, innerhalb einer Woche wuchs die Kampftruppe auf 25 000 Mann. Fieberhaft arbeiteten Pioniere an der Reparatur der Brücke, die durch die Notsprengung erheblichen Schaden genommen hatte.

Fünf Divisionen, so befahl Eisenhower, haben in kürzester Zeit über die Brücke zu gehen. Unter ständigem Beschuss der Deutschen entstanden Pontonbrücken ober- und unterhalb der Ludendorffbrücke. 367 deutsche Flugzeuge versuchten, ihre Bombenlast auf die Brücke zu werfen, 106 von ihnen wurden abgeschossen.

Deutsche Pioniere versuchten nachts, Sprengstoff an der Brücke anzubringen, sie wurden gefangen genommen. Deutsche Kampfschwimmer versuchten, sich von oberhalb des Stroms nachts der Brücke zu nähern, sie wurden von GIs unter Beschuss genommen und gerieten durch amerikanische Schwimmer in Gefangenschaft.

Tag und Nacht war an der Wiederherstellung der Brücke gearbeitet worden, ständig unter der Gefahr der rundum von den rechtsrheinischen Höhen abgefeuerten Artilleriesalven, deren Stoßwellen die Brücke erschütterten.

Am 17. März gegen 15 Uhr befanden sich etwa 200 Pioniere auf der Brücke. "Wir hörten ein scharfes Knacken, und die Brücke begann zu zittern", sagt ein Soldat später aus. Die Brücke schwankte und krümmte sich in sich zusammen. Sekunden später lag die Stahlkonstruktion im Wasser. 28 Mann wurden nach offiziellen Angaben in den Tod gerissen, 18 Leichen konnten nie geborgen werden. Wie der Remagener Stadtarchivar Kurt Kleemann jetzt recherchierte, wurden zwei Namen von amerikanischen Offizieren bei der Addition der Opfer vergessen.

Der Militärpolizist bei der 9. Infantry-Division Adolph L. Wadalavage erzählte später bei einem Besuch in Erpel: "Ich stand am Ufer und habe den Mund nicht mehr zu bekommen, als die Brücke in sich zusammenfiel. Ich war so entsetzt, dass ich fast vergaß, zu fotografieren." Wadalavage hat zahllose Fotos vom Marsch der Amis über die Brücke und von der zerstörten Brücke geschossen. Er hat sie später seinen Erpeler Freunden Annemarie und Werner Christmann, die als Jugendliche im Tunnel saßen, zur Verfügung gestellt.

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