Remagen und die Folgen

Remagen · Panik in New York. Eine Witwe wartet 22 Jahre auf Gerechtigkeit

Die Nachricht aus Remagen sorgt am 8. März für dramatische Panikverkäufe an der New Yorker Börse. Wer will noch in die Waffenindustrie investieren, wenn das Kriegsende greifbar nahe scheint? Bis 14 Uhr werden zwei Millionen Aktien der Rüstungskonzerne weit unter Wert verschleudert. Dwight D. Eisenhower, Oberbefehlshaber Westeuropa und späterer US-Präsident, schickt alle verfügbaren Kräfte nach Remagen: "Die Brücke ist ihr Gewicht in Gold wert. Die Deutschen werden Tage brauchen, um neue Kräfte zu mobilisieren."

Zwei Tage braucht das NS-Regime. Mit den jüngsten tödlichen Errungenschaften deutscher Ingenieurskunst: Die ersten Düsenjäger der Welt fliegen Einsätze gegen die Brücke, die "SS-Werferabteilung 500", bislang für den Beschuss Londons mit V2-Raketen zuständig, dreht die Abschussrampen gen Remagen. Kampfschwimmer sollen die Pfeiler im Fluss sprengen. Doch die Brücke hält. Noch zehn Tage.Mittels zusätzlicher Pontonbrücken sind am 11. März schon 50 000 GIs samt Ausrüstung über den Rhein. Erst am 17. März sackt die schwer angeschlagene "Ludendorff-Bridge" in den Fluss.

Am 13. März kommentiert Propagandaminister Joseph Goebbels die Hinrichtung Major Schellers in seinem Tagebuch: "Das ist wenigstens mal ein Lichtzeichen. Nur mit solchen Maßnahmen können wir das Reich noch retten." Tage später erhält die hochschwangere Lisel Scheller die amtliche Mitteilung zum Tod ihres Mannes: "Todesanzeigen und Nachrufe in Zeitungen und dgl. sind verboten."

Als Major Schellers drittes Kind zur Welt kommt, ist Frieden. Erst 22 Jahre später, nach mehreren vergeblichen Versuchen, schafft es Lisel Scheller, dass ihr Mann postum von einem deutschen Gericht rehabilitiert wird. Seine Henker, die drei NS-Führungsoffiziere des "Fliegenden Standgerichts West", gehen straffrei aus. Zu ihnen gehört auch Oberstleutnant Paul Penth. Während der NS-Zeit hatte er als Bürgermeister von Bad Hönningen stolz verkündet, wie schnell seine Stadt "judenfrei" gewesen sei.

Karl-Heinz Timmermann bleibt bei der Army. 1950 zieht er in den Korea-Krieg. Der scheinbar Unverwundbare stirbt am 21. Oktober 1951, mit 29 Jahren. Nicht durch eine Kugel, sondern an Krebs. Kurz zuvor hatte man ihn aus Korea in ein Militärkrankenhaus in Denver/Colorado ausgeflogen. Feldwebel Jakob Kleebach baut für seine Familie ein Häuschen nahe den Brückentürmen und wird Chef der Remagener Feuerwehr.

1968 verfilmt United Artists "Die Brücke von Remagen". Ein Staraufgebot (George Segal, Ben Gazzara, Robert Vaughn, Peter van Eyck, Hans-Christian Blech, Sonja Ziemann) wird in die CSSR geflogen. Gedreht wird an der Moldau, die Crew castet 5000 tschechische Komparsen. Während die Filmleute mit alten US-Panzern und Jeeps herumkurven, sammeln sich die Streitkräfte des Warschauer Pakts an der Grenze. Am 21. August wird Produktionsleiter Milton Feldmann um fünf Uhr morgens vom Telefon geweckt. Ein Blick aus dem Hotelfenster bestätigt die Nachricht: Russische Panzer beenden den Prager Frühling. Die Crew muss das Land verlassen, der noch nicht ganz fertige Film wird unter anderem auf der Alten Harburger Elbbrücke in Hamburg zu Ende gedreht.

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