Offensive gegen das Rauchen Mit Ekel-Bildern gegen den blauen Dunst

BRÜSSEL · Es ist die lange erwartete Großoffensive gegen den blauen Dunst: Abstoßende Bilder von erkrankten Organen auf den Schachteln, Verbot von Zusatzstoffen und künstlichen Aromen, Aus für schlanke "Slim-Zigaretten" - wenn es nach dem Willen der EU-Kommission geht, sollen die Tabak-Regale der Kioske demnächst wie ein Horror-Kabinett aussehen.

 Rauchen - Genuss oder gefährliches Laster? Die EU will die Werbung durch Antiwerbung ersetzen.

Rauchen - Genuss oder gefährliches Laster? Die EU will die Werbung durch Antiwerbung ersetzen.

Foto: dpa

"Wir haben es geschafft!", triumphierte EU-Gesundheitskommissar Tonio Borg, als er gestern die neue Richtlinie zum Umgang mit Tabakprodukten präsentierte. "Da 70 Prozent der Raucher vor dem 18. Lebensjahr anfangen zu rauchen, wird mit dem heutigen Vorschlag angestrebt, Tabakerzeugnisse und das Rauchen weniger attraktiv zu machen." Eine US-amerikanische Studie von 2012 bestätigt: Wer bis zum 26. Lebensjahr nicht zur Zigarette gegriffen hat, fängt auch später nicht mit dem Qualmen an.

Trotzdem musste der Kommissar seinen Gesetzentwurf an einigen Stellen deutlich entschärfen. So war ursprünglich geplant, Zigaretten weitgehend aus den Auslagen zu verbannen und nur noch unter der Ladentheke zu verkaufen. Da Tabakprodukte aber legal sind, wäre eine solche Vorschrift nicht durchzusetzen gewesen.

Und auch die zunächst geplanten grauen Einheitsschachteln ohne Produktbezeichnung werden wohl nicht kommen. Die Welthandelsorganisation (WTO) geht gerade gegen Australien wegen der Eingriffe in das Markenrecht vor. Das wollte Brüssel dann doch nicht riskieren.

Im Visier der europäischen Anti-Raucher-Kampagne stehen vor allem junge Menschen. Ihnen will man mit dem weitgehenden Verbot von Zusatzstoffen wie Menthol die Lust am Nikotin nehmen. "Eigentlich schmeckt Tabak nämlich gar nicht ", sagt der Europa-Abgeordnete und Arzt Peter Liese. "Mit Zusatzstoffen wie Menthol wird der unangenehme Geschmack überlagert."

Beim Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg spricht man von rund 8400 Substanzen, die sich im Tabak und im Rauch wiederfinden, von denen mindestens 90 hochgradig krebserregend seien. Zwar ist der Anteil beispielsweise von Menthol-Zigaretten in Deutschland mit 2,9 Prozent relativ niedrig (USA: 27 Prozent).

Dennoch rät Kommissar Borg, sich nicht prominente Raucher wie Altbundeskanzler Helmut Schmidt zum Vorbild zu nehmen. "Zigaretten sind das bedeutendste einzelne vermeidbare Gesundheitsrisiko", hieß es gestern in Brüssel, dem in der EU jährlich 695.000 Menschen (Deutschland: 110.000) erliegen.

Die geplanten Vorschriften gelten zunächst für Zigaretten und Tabak zum Selbstdrehen. Ausgenommen sind Pfeifentabak, Zigarillos, Zigarren und bayerischer Schnupftabak.

Und auch der schwedische "Snus" darf weiter ungehindert gekaut werden. Alle diese Produkte seien keine typischen Tabakwaren, die junge Menschen zum Einstieg nutzten, betonte Borg.

Vertreter der beiden großen Fraktionen im Europäischen Parlament signalisierten bereits Zustimmung zu dem Gesetzespaket, das in zwei Jahren in Kraft treten soll. Und auch von Seiten der Mitgliedsstaaten gab es positive Signale. Massiver Widerstand kam dagegen nicht nur von der Tabakbranche, sondern vor allem vom europäischen Steuerzahlerbund. Er befürchtet eine "dramatische Verschiebung" von legalen Tabakprodukten hin zu Schmuggelware.

Immerhin 98,7 Milliarden Euro nehmen die 27 Mitgliedsstaaten aus der Tabaksteuer ein. Schon bisher gehen etwa zehn Milliarden durch Schwarzmarkt-Handel verloren. Nun drohten weitere Steuereinbußen, die zum Ausfall zusätzlicher 30 Milliarden Euro führen könnten, teilte der Bund gestern in Brüssel mit.

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