Keine Leerstände

Jeder fünfte Bonner Arbeitsplatz ist im Bundesviertel

Es gibt Daten, die vergisst man nicht. Für die Bonner gehört der 20. Juni 1991 ganz gewiss dazu: An jenem Tag entschied der Deutsche Bundestag mit knapper Mehrheit: Parlament und Teile der Bundesregierung ziehen nach Berlin um. "In Bonn gehen die Lichter aus", war in den Gazetten zu lesen.

Weit gefehlt! Die Rheinländer, deren Philosophie von dem Grundsatz "Et hätt noch imme jood jejange" (Es ist noch immer gut gegangen) geprägt ist, krempelten die Ärmel hoch und leiteten gemeinsam mit dem Bund einen Strukturwandel ein, der inzwischen nahezu abgeschlossen ist: Aus der ehemaligen Bundeshauptstadt, die jetzt offiziell Bundesstadt heißt, wurde "Boomtown Bonn".

Den größten Wandel erlebte dabei das frühere Parlaments- und Regierungsviertel. Inzwischen liegt dort jeder fünfte Bonner Arbeitsplatz (insgesamt: knapp 39 000). Mitte der 90er Jahre, mitten im Strukturwandel, forderte der nordrhein-westfälische Landeskonservator Professor Udo Mainzer, das gesamte ehemalige Regierungsviertel unter Denkmalschutz zu stellen.

Hätte er sich durchgesetzt mit seiner Forderung - das Viertel wäre mittel- und langfristig verkommen. Grund: Zahlreiche Botschaften und Landesvertretungen waren in ihrer Bausubstanz kaum zu erhalten, weil sie für ihre spezifischen Zwecke errichtet wurden.

Und was ist aus den einstigen "Zentren der Macht" geworden, die - bis zum Umzug im Sommer 1999 - allabendlich über den Bildschirm flimmerten? Begeben wir uns auf einen kurzen Spaziergang:

Der Lange Eugen, Mitte der 60er Jahre von Egon Eiermann als Hochhaus für die Volksvertreter gebaut, wurde für 41 Millionen Euro von Grund auf saniert. Die bisherigen Mieter, darunter mehrere Bildungseinrichtungen, ziehen dort nicht mehr ein; sie erhalten neue Domizile. Grund: Die Bundesregierung hat den in Bonn ansässigen UN-Organisationen das Gebäude angeboten.

Apropos Bonn und UN: Wer weiß schon, dass die Bundesstadt die einzige UN-Stadt in Deutschland ist? Mehr als 500 Mitarbeiter beschäftigt die UN inzwischen am Rhein. Tendenz: steigend.

Der Lange Eugen wird somit künftig das Herzstück des Bonner UN-Campus - gemeinsam mit dem ehemaligen Plenarsaal und dem angrenzenden Wasserwerk, dem früheren Ersatz-Plenarsaal. Beide Gebäude werden bereits für Konferenzen, Kongresse und Messen genutzt, die "der Würde des Ortes angemessen" sind, so die Voraussetzung.

"Eine Erotik-Messe würde nicht genehmigt", brachte es Oberbürgermeisterin Bärbel Dieckmann auf den Punkt.

Kräftig umgebaut und von Asbest befreit wurde auch das ehemalige Bundeskanzleramt. Dort zog mit Heidemarie Wieczorek-Zeul erstmals eine Frau als Hausherrin ein. Denn das Haus wurde erster Dienstsitz des Bundesministeriums für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ). Erster Dienstsitz? Ja, auch das gibt's in Bonn.

Neben dem BMZ gehören in diese Kategorie fünf weitere Ressorts: Umwelt, Gesundheit, Verbraucherschutz/Landwirtschaft, Bildung/Forschung und Verteidigung; die übrigen Ministerien sind in der ehemaligen Bundeshauptstadt mit zweiten Dienstsitzen vertreten. Was übrigens auch für das Bundespräsidialamt - Johannes Rau arbeitet häufig in der Villa Hammerschmidt am Rhein - und das Bundeskanzleramt zutrifft, das im benachbarten Palais Schaumburg seine Bonn-Dependance eingerichtet hat.

Gleich nebenan, zwischen Langem Eugen und nördlichem Rand der Rheinaue, wird der Strukturwandel auch architektonisch imposant sichtbar. Denn südlich des neuen Domizils der Deutschen Welle (Schürmann-Bau) ragt die neue Zentrale der Deutschen Post AG in die Höhe. Der filigran anmutende gläserne Turm, den die Bonner nach seinem Architekten Helmut Jahn (Turmvater Jahn) "Jahn-Tower" tauften, bildet mit den anderen Bauten ein reizvolles Ensemble - wohl einzigartig in der Bundesrepublik.

Maßgeblich beteiligt am Strukturwandel seiner ehemaligen Hauptstadt ist der Bund. Mit mehr als 1,4 Milliarden Euro unterstützt er den Wandlungsprozess hin zu einer Stadt, in der sich zukunftsorientierte Wirtschaftsunternehmen, Wissenschaftseinrichtungen und internationale Organisationen etablieren.

So beteiligt er sich auch an der Finanzierung des Internationalen Kongresszentrums Bundeshaus Bonn (IKBB), das aus den traditionsreichen Gebäuden - Plenarsaal, Bundeshaus und Wasserwerk - und dem noch zu bauenden neuem Kongresssaal gleich gegenüber besteht. Derzeit verhandelt die Stadtverwaltung mit potenziellen Interessenten, die das IKBB bauen und betreiben wollen.

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