Snowden bittet Menschenrechtler um Hilfe Ex-US-Geheimdienstmitarbeiter will nun doch Asyl in Russland

Moskau · Snowden möchte scheinbar nach Südamerika weiterfliegen. Dafür braucht er vorübergehend Asyl in Russland.

 Auftritt in Moskau: Edward Snowden mit Sarah Harrison von Wikileaks.

Auftritt in Moskau: Edward Snowden mit Sarah Harrison von Wikileaks.

Foto: dpa

Plötzlich soll die Reporterin auf der Toilette nachschauen - für Männer und für Frauen. Soll dort den suchen, der nicht gefunden werden will. Edward Snowden. Sie lacht zunächst über den Vorschlag, den ihr die Moderatorin von Russlands Staatssender "Rossija 24" diktiert - und läuft später tatsächlich zum WC. Es ist eine Szene, die so vieles offenbart im globalen Zirkus um den geflüchteten, passlosen, verzweifelten 30-jährigen Ex-US-Geheimdienstler, der die Welt in Atem - und auch zum Narren hält.

Natürlich versteckt sich der US-Computerspezialist nicht auf der Toilette, aber immerhin ist er gestern, zusammen mit zwei Helferinnen, wohl von der Enthüllungsplattform Wikileaks, überraschend vor die Augen acht russischer Menschenrechtler von verschiedenen internationalen Organisationen getreten. Und hat die Welt damit erneut in Hysterie versetzt. In einem Raum auf dem Moskauer Flughafen Scheremetjewo erzählte er, dass er sich wohlfühle im Transitbereich, aber nicht länger dort bleiben wolle. Er äußerte den Wunsch nach Asyl im Lande Putins - wieder einmal. Diesmal aber nur vorübergehend. Denn der Asylstatus in Russland erlaube ihm das Weiterfliegen nach Südamerika, was er offenbar auch vorhabe, hieß es. Venezuela, Nicaragua und Bolivien hatten Snowden bereits Asyl angeboten. Doch ohne jegliche Dokumente kann der berühmte Flüchtling nicht einmal ein Ticket kaufen und ist bislang im Transitbereich von Scheremetjewo gefangen.

Russlands Menschenrechtler sollen ihm nun beim Erstellen des Asylantrags in Moskau helfen und seine Situation mit dem russischen Präsidenten besprechen. Dafür hatte Snowden in einer Mail an ausgesuchte Organisationen zum Flughafen geladen. Journalisten waren nicht erbeten. Dennoch erstürmten etwa 200 Reporter regelrecht den Flughafen. Das "Phantom von Moskau" blieb für Journalisten aber weiter unsichtbar. Die acht Menschenrechtler kämpfen sich nach einem 47-minütigen Treffen durch die Masse an Kameras und Mikrofonen.

Aus dem Kreml verlautete derweil nichts Neues. Putins Sprecher Dmitri Peskow verwies auf die Aussage des Präsidenten vor zwölf Tagen: Snowden könne in Russland Asyl bekommen, wenn er den USA nicht mehr weiter schade. Wenn er aber in ein anderes Land reisen wolle, werde ihn Russland nicht aufhalten. "Hypothetisch könne er in Russland bleiben", meinte Peskow auch gestern. Auf Putins frühere Bedingung scheint der 30-Jährige nun eingehen zu wollen. Nach Angaben der Menschenrechtler, die ihn besuchten - darunter Vertreter von Human Rights Watch und Amnesty International -, hat er diese Einschränkung gebilligt. Um wohl tatsächlich aus Russland abreisen zu können. Weg nach Südamerika. Wohin genau, bleibt weiter unklar.

Klar ist seit gestern nur: Snowden ist noch in Moskau. Doch sein Ja-Nein-Ja zum Asyl in Russland macht den selbst ernannten Schützer von Freiheit und Demokratie immer unglaubwürdiger. Weiterhin polarisiert er, weiterhin dürfte er instrumentalisiert werden. Sein Versteckspiel zeugt kaum von Verantwortungsbewusstsein für die Situation, die er geschaffen hat. Auch wenn er auf einen regelrechten politischen Exzess hingewiesen hat.

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