Verbesserung der Seenotrettung Europas Aufbruch Richtung Mittelmeer

BRÜSSEL · Europa sagt den Schlepperbanden im nördlichen Afrika den Kampf an. Als Konsequenz aus den jüngsten Flüchtlingskatastrophen im Mittelmeer verständigten sich die 28 Staats- und Regierungschefs bei ihrem Krisentreffen am Donnerstag in Brüssel auf eine schnelle und drastische Verbesserung der Seenotrettung.

Neben Deutschland, das drei Schiffe und 600 Soldaten bereitstellen will, erklärten sich auch Großbritannien, Frankreich und weitere Staaten bereit, Marine-Einheiten zu verlegen. Das bisherige Budget für das Seenotrettungsprogramm "Triton" wird von drei Millionen Euro pro Monat auf neun Millionen angehoben.

"Das Wichtigste ist jetzt, Leben zu retten", sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel vor Beginn der Beratungen, "Geld darf da keine Rolle spielen." Auch Premier David Cameron betonte: "Wir sind das Land mit dem größten Verteidigungsbudget der Gemeinschaft.

Deshalb werden wir auch entsprechend Verantwortung übernehmen." Er kündigte die Entsendung eines Hubschrauber-Trägers ins Mittelmeer an. Allerdings soll vorerst das Einsatzgebiet nicht über die 30-Seemeilen-Zone (56 Kilometer) vor Italien ausgedehnt werden.

Es war eine Einigkeit aus großer Betroffenheit, die die 28 Staatenlenker zusammenschweißte. "Eine Tragödie" - diese Worte des Ratspräsidenten Donald Tusk wiederholte nahezu jeder der Staats- und Regierungschefs angesichts der über tausend Toten seit Sonntag.

Und so konnte man sich - nach einer Schweigeminute in der Gipfelrunde - rasch auf ein Zehn-Punkte-Programm verständigen, das im Wesentlichen auf drei Säulen beruht: Verbesserung der Seenotrettung, Kampf gegen die kriminellen Schleuserbanden sowie erste Versuche mit einer besseren und gerechteren Verteilung der aufgenommen Flüchtlinge. "Die beste Möglichkeit, Menschen zu schützen, besteht natürlich darin, sie am Einsteigen in die Boote zu hindern", erklärte Tusk.

In ihrem Schlussdokument sprechen sich die EU-Spitzen deshalb für intensive diplomatische Bemühungen mit den Führungen in Libyen, Tunesien, Ägypten, Mali, Niger und im Sudan aus, um deren Grenzkontrollen zu intensivieren, die Fluchtursachen zu beseitigen und eine Zusammenarbeit mit der EU zu beginnen.

Doch der "ehrgeizige Vorstoß" traf auf heftige Kritik. Von Seiten des UN-Hochkommissars für Flüchtlinge (UNHCR) hieß es, der Zehn-Punkte-Plan sei "zu wenig". Auch die Parlamentarische Versammlung des Europarates sprach von "unzureichenden Maßnahmen".

Kritiker bemängelten vor allem die erkennbare Weigerung der Mitgliedstaaten, über ein Quotensystem zur gerechten Verteilung der ankommenden Flüchtlinge entsprechend der Wirtschaftskraft und Bevölkerungszahl wenigstens zu beraten. Lediglich ein Pilotprojekt mit etwa 5000 Plätzen für besondere Notfälle soll jetzt in Angriff genommen werden. Die Betroffenen könnten dann über mehrere Länder verteilt werden.

Der Vorsitzende der EVP-Fraktion, Manfred Weber (CSU), sagte unmittelbar vor dem Gipfel: "Es kann nicht sein, dass lediglich acht Länder Asylbewerber aufnehmen, während alle anderen dichtmachen."

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