"Der Bunker ist Beton gewordenes Geschichtsgut"

Zeitzeugen betreten nach 60 Jahren wieder das Bombenschutzgebäude an der Beueler Goetheallee - Einzigartiges Projekt von Realschule und Heimatmuseum

3 500 Tonnen Beton  sind in den Beueler Hochbunker verbaut worden.

3 500 Tonnen Beton sind in den Beueler Hochbunker verbaut worden.

Foto: Malsch

Beuel. Für Anni Klos ist der Hochbunker an der Goetheallee kein fremdes, anonymes Gebäude. Das unterscheidet die 75-Jährige inzwischen von vielen Beuelern, die täglich an dem wuchtigen Bauwerk vorbeigehen. Anni Klos verbrachte im Zweiten Weltkrieg ein ganzes Jahr im Innern des Hochbunkers, von März 1944 bis März 1945.

"Wenn Luftangriffe starteten, kamen wir nicht schnell genug hinein", erinnert sich die Rentnerin. Offiziell bot der Hochbunker Sitzplätze für 950 Menschen, tatsächlich suchten bis zu 4 000 Beueler dort Zuflucht. "Wir standen wie die Heringe darin", sagt Klos. 60 Jahre später: Zusammen mit knapp 50 weiteren Zeitzeugen betritt sie erneut den Ort, der ihr damals wahrscheinlich das Leben gerettet hat.

Der Rundgang steht in Verbindung mit einem Projekt, mit dem sich Schüler der Beueler Realschule seit einem Jahr beschäftigt haben. In den Fächern Kunst und Philosophie näherten sich die Neunt- und Zehntklässler dem Thema Krieg und dem Hochbunker in Beuel. Sie sprachen mit Zeitzeugen, fertigten Gemälde und Gipsskulpturen an und verfassten Texte, in denen sie sich mit dem Schrecken des Krieges auseinandersetzten.

Die Arbeiten sind in der Scheune des Beueler Heimatmuseums zu sehen, dazu Ausstellungsstücke zum Thema Bunker: eine so genannte "Volks-Gasmaske" und ein Sauerstoff-Behandlungsgerät. "Wir freuen uns, dass eine Schule ein 60 Jahre altes Thema aufgreift", sagt Museumsleiter Hans Lennarz bei der Ausstellungseröffnung. "Geschichte ist die Gegenwart von gestern."

Kaum vorstellbar, wie 4 000 Menschen in den kargen Räumen Tage, Wochen und Monate verbringen mussten. "Das war wirklich ein Abenteuer damals", sagt Else Wagner (83). "Meine Mutter schmiss mich nachts aus dem Bett, und wir mussten zum Bunker. Als ich im Garten stand, regneten diese Leuchtkörper vom Himmel. Die kamen vor den Bomben runter."

Klaus Schreiber war damals fünf Jahre alt und kam nur durch Glück in die Schutzräume. "Ich hatte Keuchhusten und durfte deshalb eigentlich nicht da rein", erinnert sich der 66-Jährige. "Aber meine Mutter hat mich unter ihrem Mantel hineingeschmuggelt."

Während die Gruppe durch die weiß überstrichenen Räume zieht, kommen Erinnerungen hoch. "Da war das Hochbett, da haben wir gelegen!" ruft Willi Möltgen aus und zeigt mit ausgestrecktem Arm auf eine kahle Wand. Möltgen wohnte an der damaligen Bonner Straße (heute Rheindorfer Straße), und seine Familie wollte mit ihm zunächst in den Erdbunker am Beueler Rathaus.

Der war voll. Also ging es zum Hochbunker an der damaligen Konrad-Henlein-Straße, wo es dann klappte. "Als Kind kriegte man den Krieg ja nicht so intensiv mit", sagt der 67-Jährige. "Aber die Stimmung war schon sehr gedrückt."

Initiator des Projektes ist Martin Finke, ehemaliger Konrektor der Realschule und jetzt Schulleiter an der Freiherr-vom-Stein-Realschule. "Die Schüler laufen jeden Tag an diesem Hochbunker vorbei, und Krieg erscheint ihnen heute ja virtuell. Aber der Krieg war hier - vor Ort. Der Bunker ist Beton gewordenes Geschichtsgut."

Die Sonderausstellung "Leben im Bunker" ist bis Sonntag, 5. Juni, im Heimatmuseum (Wagnergasse 2) zu sehen. Öffnungszeiten sind mittwochs, samstags und sonntags von 15 bis 18 Uhr sowie nach Vereinbarung unter Telefonnummer (02 28) 46 30 74.

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