Homo-Ehe "Das ist eine soziale Revolution"

LONDON · Eng umschlungen und tief bewegt standen die beiden Frauen in der Altstadt von Dublin und starrten auf die Leinwand vor dem historischen Schloss in der irischen Hauptstadt. Darauf erschienen nach und nach die Auszählungsergebnisse des Referendums über die Homo-Ehe, während auf dem Platz zahllose Flaggen in Regenbogenfarben geschwenkt wurden und die Menschen bunte Poster in den Himmel streckten, auf denen "gleichberechtigt" oder "Danke, Irland" geschrieben stand. Irgendwann illustrierte eine eingefärbte Landkarte auf der Leinwand: Die Befürworter der Homo-Ehe haben den Volksentscheid gewonnen.

Auf dem Platz feierten Tausende Menschen dieses geschichtsträchtige Resultat, das eine Zeitenwende einläutet. "Das bedeutet die Welt für mich", sagte Claire, die immer wieder ungläubig auf das Ergebnis schielte und ihre Freundin kaum aus der Umarmung lassen wollte. "Ich bin von nun an nicht weniger wert als alle anderen." Freudentränen erstickten ihre Stimme. Jubel und Partygesänge der Versammelten taten ihr Übriges. Als weltweit erstes Land sprachen sich die Iren am vergangenen Freitag mit einem Volksentscheid dafür aus, die Ehe zwischen Homosexuellen der Ehe zwischen Mann und Frau gleichzustellen.

Das Ergebnis fiel eindeutiger aus als selbst Anhänger der Ja-Kampagne dies erhofft hatten. Mehr als 1,2 Millionen Iren und damit etwa 62 Prozent der Stimmen sorgten dafür, dass Artikel 41 der Verfassung geändert wird. Schon Ende des Jahres dürften auch alle schwulen und lesbischen Paare integriert sein: "Eine Ehe kann in Übereinstimmung mit dem Gesetz zwischen zwei Menschen ungeachtet ihres Geschlechts eingegangen werden." Seit 2011 gab es zwar die Form der eingetragenen Lebenspartnerschaft. Diese garantierte die juristische Gleichbehandlung beim Erbrecht oder beim Thema Steuern. Mit der völligen Gleichstellung ist Irland einen großen Schritt weiter als Deutschland, wo Homosexuelle lediglich eine eingetragene Lebenspartnerschaft schließen können.

Dass die Homo-Ehe ausgerechnet im konservativen Irland, wo die Kirche traditionell einen hohen Stellenwert in der Gesellschaft genießt, eingeführt wird, hat nun symbolische Bedeutung über die Landesgrenzen hinaus. "Das ist eine soziale Revolution", sagte Leo Varadkar, der irische Gesundheitsminister, der erst im Januar sein Coming-Out hatte. Regierung und Opposition hatten einhellig für die Verfassungsänderung geworben. Ministerpräsident Enda Kenny begrüßte den Ausgang des Referendums: "Mit dieser Wahl haben wir gezeigt, wer wir sind: Ein großherziges, mitfühlendes, mutiges und freudvolles Volk."

Noch vor 22 Jahren konnten Schwule und Lesben in Irland im Gefängnis landen, Homosexualität war in dem erzkatholischen Staat bis 1993 als Straftat eingestuft. Auch Abtreibungen galten bis vor zwei Jahren noch als strafbar.

Doch die Kirche hat ein Autoritätsproblem, nachdem immer neue Skandale um Gewalt an Kindern und Jugendlichen sowie um Vergewaltigungen und sexuellen Missbrauch in kirchlichen Einrichtungen die Insel erschütterten. In den vergangenen Wochen hatten sich die katholischen Bischöfe gegen die rechtliche Gleichstellung homosexueller Paare ausgesprochen und betont, die Ehe sei der einzigartige Bund zwischen Mann und Frau.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort