Energiewende Das Ende der Monstertrassen

Berlin · CDU, CSU und SPD einigen sich auf einen Kompromiss: Weniger Leitungsneubau und keine Kohleabgabe. Die Energiewende wird in Deutschland größtenteils unter der Erde stattfinden. Der bayrische Albtraum von "Monstertrassen" ist angewendet.

 Ein Braunkohlezug fährt bei Rommerskirchen durch einen Wald aus Strommasten. Im Hintergrund sind Windräder zu sehen.

Ein Braunkohlezug fährt bei Rommerskirchen durch einen Wald aus Strommasten. Im Hintergrund sind Windräder zu sehen.

Foto: dpa

Die Monstertrassen also. CSU-Chef Horst Seehofer weiß: Damit kann er in Bayern, je nach Verlauf dieser Stromautobahnen, Wahlen gewinnen - oder Wahlen verlieren. Im Freistaat sind die Bürger in mindestens fünf der sieben bayerischen Regierungsbezirke seit Monaten auf den Barrikaden, haben sich in Bürgerinitiativen organisiert und machen bei CSU-Bezirksparteitagen gegen diese Stromtrassen mobil.

Aber jetzt kann der bayerische Ministerpräsident doch Aussicht auf Entwarnung geben, dafür haben sich Verhandlungen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Bundesenergieminister Sigmar Gabriel (SPD) bis morgens um zwei Uhr gelohnt. Seehofer sagt am Morgen danach erleichtert: "Sämtliche Monstertrassen sind vom Tisch." Neben ihm sitzt die bayerische Wirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU), die Seehofer in den zurückliegenden Wochen verstärkt in die Pflicht genommen hat, die Monstertrassen zu verhindern, jedenfalls ihre monströse Dimension für Bayern zu minimieren.

Drei Kilometer Luftlinie entfernt verkündet SPD-Chef Gabriel im Bundeswirtschaftsministerium seine Sicht der Dinge. "Monstertrasse", nein, das ist nicht sein Vokabular. Aber doch, er ist CSU-Chef Seehofer für diesen Kompromiss in Sachen Energiewende ein gehöriges Stück entgegengekommen. "Viele Bürgerinnen und Bürger haben Sorgen vor dem Ausbau der Freileitungen. Wir nehmen die Sorgen sehr ernst. Von nun an bekommen bei neuen Gleichstromtrassen Erdkabel den Vorrang vor Freileitungen."

Die Energiewende, das stellen Seehofer, Aigner und auch Gabriel damit klar, wird in Deutschland größtenteils unter der Erde stattfinden, jedenfalls was den Netzausbau angeht. Der Netzausbau gilt als Engpass bei der Umstellung von Kohle und Gas auf erneuerbare Energien. Doch Merkel, Seehofer und Gabriel wissen auch, dass sie just diesen Ausbau der Stromtrassen voranbringen müssen, wollen sie das deutsche nationale Klimaziel erreichen, das eine Verringerung des Kohlendioxidausstoßes um 40 Prozent bis 2020 im Vergleich zu 1990 vorsieht. Dazu sollen in den kommenden fünf Jahren 22 Millionen Tonnen Kohlendioxid zusätzlich eingespart werden.

Doch jetzt ist erst einmal die von Seehofer "Monstertrasse" genannte "Südost"-Leitung vom Tisch, jedenfalls ist das der politische Plan, das formulierte Ziel. Denn in den "Eckpunkten für eine erfolgreiche Umsetzung der Energiewende" ist auch festgeschrieben, dass Gabriel noch "Gespräche" mit der Bundesnetzagentur führen wird, die den genauen Verlauf der Stromautobahnen festlegt. Endpunkt dieser "Südost"-Verbindung soll jetzt bereits im niederbayerischen Landshut sein und nicht in Gundremmingen. Das spart rund 150 Kilometer Leitungsneubau, wie Aigner betont. Und auch der sogenannte SuedLink, eine zweite Stromautobahn, führt jetzt auf ihrer Hauptstrecke von Brunsbüttel nach Großgartach in Baden-Württemberg. Die Hauptader über das bayerische Grafenrheinfeld haben Seehofer und Aigner verhindert. Nach Grafenrheinfeld führt jetzt nur noch ein Abzweig mit wesentlich weniger Eingriffen für Natur und Anwohner.

Gabriel hat in diesem Energiekonsens der großen Koalition auch gepunktet, allerdings seinen Vorschlag einer Kohleabgabe für alte Kohlekraftwerke nicht durchsetzen können. So ist nun geplant, Braunkohlekraftwerke in einem Umfang von 2,7 Gigawatt schrittweise in eine Kapazitätsreserve zu überführen und dann nach vier Jahren stillzulegen. Das entspricht 13 Prozent der Braunkohleleistung. Zusätzlich zu dieser Kapazitätsreserve sagt die Braunkohlewirtschaft zu, eine "gegebenenfalls notwendige zusätzliche Minderung" von 1,5 Millionen Tonnen jährlich ab 2018 zu erbringen. Außerdem will die Bundesregierung die Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) durch eine Reform des KWK-Gesetzes stärker fördern und so weitere vier Millionen Tonnen Kohlendioxid einsparen.

Bleibt der Streit ums Atom. Merkel, Seehofer und Gabriel haben sich verständigt, dass die Kosten für den Rückbau der Atomkraftwerke wie auch für die Entsorgung der radioaktiven Abfälle bei den Energieversorgern liegen, wenn Deutschland 2022 aus der Atomkraft aussteigt. Im Zank um die Zwischenlagerung von 26 Castoren, die Atommüll aus dem Ausland zurück nach Deutschland bringen, setzt Seehofer auf Gespräche der Ministerpräsidenten mit Merkel. Bayern will Atommüll aus dem eigenen Forschungsreaktor Garching im nordrhein-westfälischen Ahaus einlagern. Damit hätte Seehofer ein Problem mehr außer Landes.

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