Düsseldorf als Generalprobe für Bonn und Berlin

1995 ziehen die Grünen in die nordrhein-westfälische Landesregierung ein und werden damit zum Vorreiter für die Grünen im Bund - Zehn Jahre lang ist Bärbel Höhn die Leitfigur

 Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Johannes Rau (SPD) und Umweltministerin Bärbel Höhn (Bündnis '90/Die Grünen) im nordrhein-westfälischen Landtag in Düsseldorf.

Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Johannes Rau (SPD) und Umweltministerin Bärbel Höhn (Bündnis '90/Die Grünen) im nordrhein-westfälischen Landtag in Düsseldorf.

Foto: dpa

Oberhausen. Am Abend, als es zu Ende ging mit der Regierungsbeteiligung der Grünen in Nordrhein-Westfalen, traten der Bundesvorsitzenden Claudia Roth Tränen in die Augen. 6,2 Prozent erreichten die Grünen - ihr schlechtestes Wahlergebnis bei einer Landtagswahl seit 1990. Das Ende der Koalition mit der SPD in NRW wirkte wie ein düsterer Vorbote für die Bundesebene. Tatsächlich verloren die Grünen nur vier Monate nach der Landtagswahl in NRW auch ihre Regierungsbeteiligung in Berlin. Bärbel Höhn, die an jenem 22. Mai 2005 ihr Amt als Landesumweltministerin verlor, sagt heute: "Die Grünen in NRW haben für die Bundespolitik eine enorme Bedeutung gehabt."

Von Beginn an haben sich die Grünen auf Bundesebene ähnlich wie ihr Landesverband in NRW entwickelt - nur zeitversetzt. So gründeten im Dezember 1979 Anhänger der Umwelt- und Friedensbewegung in Bornheim-Hersel den nordrhein-westfälischen Landesverband der Grünen - wenige Wochen, bevor sich die Grünen auf Bundesebene zusammen fanden. Noch immer ist NRW der mitgliederstärkste Landesverband.

Als die Grünen 1998 in die Bundesregierung eintraten, waren sie in NRW schon seit drei Jahren an der Regierung. "Rot-Grün in NRW war die Generalprobe für Rot-Grün auf Bundesebene", sagt Höhn, die grüne Leitfigur, die 1995 ins Umweltministerium einzog. Über den Beginn der rot-grünen Liaison macht sie sich keine Illusionen: Ein "Betriebsunfall" seien die Grünen für die SPD gewesen, die überraschend ihre absolute Mehrheit verloren hatte.

SPD und Grüne tanzten auf einem Drahtseil, das den Namen Garz~weiler II trägt und im rheinischen Braunkohlerevier lag. Während die Sozialdemokraten laut vom Braunkohletagebau träumten, brachten die Grünen per Bus Abgeordnete aus Bonn und Straßburg ins Niederrheinische, um Garz~weiler II am Beispiel seines Vorgängers Garzweiler I ein Gesicht zu verpassen. Anschauungsunterricht vor Ort. Damals sagte Höhn: "Die haben das Problem Bosnien auch erst verstanden, nachdem sie da waren." Heute sagt sie: "Garzweiler II war nicht zu verhindern, denn die Grünen waren die einzige Fraktion, die dagegen war."

Die Koalition ging weiter, trotz des Beschlusses der Landesregierung für Garzweiler II. Zehn Jahre und drei Ministerpräsidenten dauerte die schwierige Partnerschaft mit der SPD. Das Verhältnis zum Koalitionspartner sei stark durch die verschiedenen Ministerpräsidenten geprägt worden, sagt Höhn. "Johannes Rau hat die grünen Minister nach einem anfänglichen persönlichen Schock gewähren lassen. Er hat die Kämpfe lieber seinem Wirtschaftsminister Clement überlassen", erinnert sie sich. Wolfgang Clement rieb sich auch noch an den Grünen, als er Ministerpräsident war. Sein Nachfolger Peer Steinbrück, den man auch den Grünenfresser nannte, tat es ihm nach und flirtete mit der FDP. Bärbel Höhn blieb hartnäckig und im Amt - unter Rau, Clement und Steinbrück und trotz vieler Rückschläge.

Ein Nachtflugverbot für Köln/Bonn konnte sie zum Beispiel nicht durchsetzen. Für Höhn ist die Geschichte der Grünen in NRW dennoch eine Erfolgsgeschichte: "Wir haben unsere Spuren hinterlassen im Sozialen, Ökologischen und in der Bildung", sagt sie und nennt das Management der BSE-Krise, die Betreuung für Kinder unter drei Jahren, den Vormarsch der erneuerbaren Energien in NRW. Doch letztlich seien es die Sozialdemokraten gewesen, die den Grünen den Weg in die Opposition ebneten.

Die SPD hätte "das Bild der Wirtschaftsverhinderer Grüne" aktiv vorangetrieben, was die CDU aufgegriffen und zu einer Geschichte über Feldhamster verarbeitet hätte, die mit Unterstützung der Grünen den Bau eines Braunkohlekraftwerks verhinderten. Eine Argumentation, die der SPD selbst zum Verhängnis geworden sei.

Oppositionsarbeit betreibt die Oberhausenerin Höhn inzwischen als stellvertretende Fraktionsvorsitzende im Bundestag. Die Oppositionsarbeit in NRW überlässt sie jetzt zum Beispiel der Landesvorsitzenden Daniela Schneckenburger. Und die sieht die Hauptaufgabe der Grünen in NRW in der Rückbesinnung auf ihre Wurzeln. "Wir müssen in allen Regionen, vor allem im ländlichen Raum Mitglieder gewinnen. Die Stärke, die wir in Köln haben, wünsche ich mir landesweit."

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