Schottische Rebellenpartei geht auf Konfrontation Cameron fürchtet den "Höllen-Pakt"

LONDON · Zwei Wochen vor der Parlamentswahl in Großbritannien gibt es bereits eine inoffizielle Siegerin: Nicola Sturgeon. Im hohen Norden des Königreichs wird die Vorsitzende der Schottischen Nationalpartei (SNP) gefeiert, im konservativen Politbetrieb in Westminster unaufhörlich vor ihr gewarnt.

Es sei laut Premierminister David Cameron eine "furchterregende Aussicht", sollte es so weit kommen, wie Umfragen es andeuten: Die SNP könnte als drittstärkste Kraft aus der Wahl hervorgehen, dabei treten die Nationalisten nur im nördlichen Landesteil an.

Da aller Wahrscheinlichkeit nach weder die konservativen Tories noch die sozialdemokratische Labour-Partei eine absolute Mehrheit erreichen, würden die Schotten viel Einfluss auf die Zusammensetzung der künftigen Regierung bekommen. Längst haben sie sich so zum beherrschenden Thema des Wahlkampfs entwickelt, zumindest im Lager der Konservativen.

"Die Partei, die unser Land bankrott macht, und die Partei, die es auseinanderreißen will - ist es das, was ihr wollt?", fragte Premierminister David Cameron diese Woche bei einer Wahlkampfveranstaltung. Er nannte das Bündnis zwischen Labour und der SNP einen "Pakt, der in der Hölle gemacht" wurde.

Er versucht, mit lauter werdender Rhetorik Labour-Wähler abzuschrecken und sie für die Konservativen zu gewinnen. Oppositionsführer Ed Miliband hat zwar eine formelle Koalition mit der SNP ausgeschlossen, zu einer informellen Zusammenarbeit äußert er sich bislang jedoch schwammig. Labour könnte sich von den ebenfalls sozialdemokratisch ausgerichteten Schotten, die laut Umfragen auf bis zu 50 Parlamentssitze hoffen dürfen, in einer Minderheitsregierung dulden lassen.

Unterstützung für seine Drohgebärden erhielt Cameron vom ehemaligen konservativen Amtsinhaber John Major, der zwischen 1990 und 1997 Premierminister war. Er sprach von einem "Alptraum". Labour könnte von den schottischen Nationalisten erpresst werden, was ins politische Chaos führen würde, sagte er.

Damit zielte er vor allem auf das Hauptanliegen der Nationalisten: die Unabhängigkeit Schottlands. Trotz des verlorenen Referendums im vergangenen September befindet sich die Partei im Aufwind und konnte seit Herbst ihre Mitgliederzahl vervierfachen. Die charismatische Sturgeon nannte Majors Aussagen sogleich einen "Affront gegen die Demokratie". Dabei ist es äußerst ungewöhnlich, dass sich der ehemalige Premier ins politische Geschehen einmischt. Er hat sich nach dem Ende seiner Amtszeit in der Downing Street weitgehend zurückgezogen.

Nun forderte er "mehr Leidenschaft" im, wie die Zeitung "The Times" ihn bezeichnete, "lustlosen Wahlkampf" der Tories. Gleichwohl verursachte Majors Intervention Kopfschütteln innerhalb der Labour-Partei. Miliband und Co. bezichtigen die Tories, die SNP mit Absicht starkzureden sowie England gegen Schottland auszuspielen.

Sogar innerhalb der konservativen Reihen kommt Kritik auf: Führende Politiker spielten ein "kurzfristiges und gefährliches Spiel", das die Zukunft des Vereinigten Königreichs bedrohe, indem sie die SNP als Mittel aufbauten, um die Labour-Partei in Schottland zu beschädigen, hieß es. Nicola Sturgeon wiederum genießt die Aufmerksamkeit sichtlich.

Sie versprach Anfang der Woche, im Falle einer Regierungsunterstützung zu einer "verantwortlichen und konstruktiven" Politik beizutragen. Die SNP werde "stets darum bemüht" sein, ihren Einfluss "im Sinne der Menschen nicht nur in Schottland, sondern in ganz Großbritannien" zu nutzen. Eine mögliche Unabhängigkeit schloss sie dabei nicht aus - ein Punkt, in dem sich Sturgeon und Miliband auch bis zum 7. Mai nicht einig werden dürften.

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