Wenn der Bauch Gefühle zeigt

Manche Situationen stressen Menschen so, dass die Psyche die Verdauung stört.

 Menschen reagieren auf Stress mit heftige Bauchschmerzen, Völlegefühl und Blähungen.

Menschen reagieren auf Stress mit heftige Bauchschmerzen, Völlegefühl und Blähungen.

Foto: TMN

Ein Bewerbungsgespräch steht an, ein Abgabetermin rückt näher oder die Schwiegereltern haben sich zum Besuch angesagt: Und schon grummelt es im Bauch. Der eine reagiert mit leichter Übelkeit auf solche Stresssituationen, der andere könnte pausenlos zur Toilette rennen. Fest steht: Zwischen Gehirn und Verdauungsorganen gibt es einen heißen Draht.

Beide kommunizieren ununterbrochen miteinander. Verantwortlich hierfür ist das sogenannte „Bauchhirn“ – Fachleute sprechen vom enterischen Nervensystem. Es umfasst rund 200 Millionen Nervenzellen, die sensibel auf Gefühle reagieren. Und Stresshormone versetzen die Darmnerven in Aufruhr. Übelkeit, ein schmerzhaftes Völlegefühl, Verstopfung und quälende Bauchschmerzen, aber auch akuter Durchfall sind mögliche Konsequenzen. Wie genau sich das äußert, ist von Mensch zu Mensch und von Bauch zu Bauch verschieden.

„Wenn beispielsweise jemandem, der Angst hat vor Hunden, ein sehr großer schwarzer Hund entgegen kommt, dann löst das im Gehirn aus: 'Oh, Flucht! Oh, Stress!'“, sagt Prof. Peter Falkai von der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde. Sofort wird eine große Menge des Stresshormons Cortisol frei. Der Körper wird damit vorbereitet nach der Devise „zuhauen oder abhauen“.

Für diese Abwehrbereitschaft brauchen Herz, Lunge und Muskeln Energiereserven, die aus dem Magen-Darm-Trakt abgezogen werden. Dieser stellt seine reguläre Tätigkeit ein und transportiert die Nahrung nicht mehr weiter. In einer milden Form löst das Bauchdrücken und Übelkeit aus, im Extremfall will der Körper die Nahrungsreste schnellstmöglich loswerden – durch Erbrechen oder Durchfall.

Warum die Menschen unterschiedlich auf Belastungen reagieren, ist wissenschaftlich nicht abschließend geklärt. Es gibt aber verschiedene Erklärungsmuster. „Die unterschiedliche Sensibilität für Stress ist zum Teil angeboren, zum Teil aber auch erworben“, sagt Falkai. Wer in der frühen Kindheit viel Zuwendung erfahren hat, ist stressresistenter als Menschen, die wenig Zuwendung erfahren haben.

Außerdem spielt der eigene Umgang mit den Beschwerden für ihre Intensität eine Rolle. „Körperliche Stressreaktionen verstärken sich, wenn die Betroffenen sie als Katastrophe wahrnehmen.“

Es gibt verschiedene Möglichkeiten, auf das Maß der körperlichen Reaktionen einzuwirken. Beispielsweise kann man vor dem Verlassen des Hauses noch mal in Ruhe zur Toilette gehen, und man kann das Essen unterlassen oder auch versuchen, bestimmte Essgewohnheiten zu verändern. Magen und Darm werden durch kleine Mahlzeiten mit wenig Fett und Ballaststoffen weniger belastet.

Bei besonders empfindlichen Menschen werden starke psychische Belastungen dennoch auf die Verdauung durchschlagen. „In Akutsituationen zum Beispiel vor einer Prüfung oder bei Reisefieber können Bauchpatienten auch über vorbeugende Medikamente nachdenken“, rät Falkai.

Ansatzpunkt Nummer zwei ist das Stressniveau: Wer ständig unter Strom steht, dem gibt eine Akutsituation den Rest. Die Gefahr lässt sich reduzieren, indem die Allgemeinbelastung verringert wird, etwa durch Entspannungsübungen.

Der dritte Weg setzt darauf, dass Körperreaktionen in begrenztem Maße trainierbar sind. „Möglicherweise kann man durch wiederkehrende Reizsituationen einen gewissen Gewöhnungseffekt erreichen“, sagt Prof. Joachim Erckenbrecht von der Gastro-Liga in Gießen. Das heißt: Wer Prüfungssituationen simuliert, übt nicht nur, sondern härtet sich möglicherweise auch ab.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort