Obdachlos Lieber hungern als Hartz IV

Zwei Obdachlose aus Neuwied erzählen, warum sie auf der Straße leben, aber auch, dass es ihnen schwer fällt, Hilfe anzunehmen.

 Ein Obdachloser sitzt mit seinen Habseligkeiten auf einer Wiese in Berlin.

Ein Obdachloser sitzt mit seinen Habseligkeiten auf einer Wiese in Berlin.

Foto: picture alliance / dpa

Yusef und Niklas haben eins gemeinsam: Beide sind obdachlos und leben auf der Straße in Neuwied. Yusef (44 Jahre alt) besitzt nur einen Rucksack, in dem nur wenig Kleidung ist. Sie reicht höchstens aus, um seine alte einmal zu ersetzen. Er hat einen Pappkarton, worauf er sitzt, und einen Plastikbecher vor sich stehen, worin er die paar Münzen aufbewahrt, die ihm Passanten geben.

Draußen ist es sehr kalt, und Yusef trägt nur einen Kapuzenpullover und eine dünne Jacke. Durch seinen langen Bart erkennt man nicht, wie rot sein Gesicht wirklich ist. Er versucht, sich vor den kalten Windböen zu schützen, indem er seine Arme über sein Gesicht hält. Yusefs Haare sehen ungewaschen, aber gekämmt aus.

Seit acht Jahren lebt er nun schon auf der Straße. Er erzählt, dass er gewalttätig gegenüber einem Gast in einer Bar geworden ist, weil er betrunken war. Danach hat er alles verloren, was ihm wichtig ist: Seine Frau und seinen damals vierjährigen Sohn.

Yusef erzählt von seinem Alltag. Verzweifelt und aussichtslos fragt er sich: „Was soll ich machen? Niemand will mich anstellen. Das einzige, was ich machen kann, ist betteln. Es ist nicht einfach, auf der Straße zu leben.“

Es fällt ihm sehr schwer, über seine derzeitige Situation zu sprechen. Während des Interviews schaut er immer wieder weg: Aus Schamgefühl vermeidet er den Blickkontakt. Aber heute ist ein guter Tag, denn Yusef hat genug Geld bekommen, um sich ein Teilchen aus der Bäckerei zu holen, erzählt er.

An manchen Tagen muss Yusef hungern und sogar auf Wasser verzichten, weil ihm das Geld nicht reicht. Deshalb sucht er in öffentlichen Mülleimern nach Pfandflaschen.

Der 29-jährige Niklas lebt seit fünf Jahren auf der Straße. Auch er verlor alles. Niklas war mal ein Imbissbesitzer. Den Laden hatte er von seinen Eltern geerbt, nachdem sie bei einem Autounfall gestorben sind. „Ich sollte dann das Geschäft weiterführen. Ich hab aber dann irgendwie alles vergeigt, weil ich auf nichts mehr Bock hatte. Irgendwann, als das Geschäft nicht mehr lief, ging ich dann pleite und habe alles verloren“, erzählt er.

Meistens schläft Niklas mit seinen „Kollegen“ in einem verlassenen Haus. Vor allem in den kalten Wintertagen versucht er, dort Zuflucht zu finden. Wie Yusef müssen auch Niklas und seine Freunde manchmal auf Nahrung verzichten, weil das Geld für eine Mahlzeit nicht reicht. Niklas versucht, durch sein musikalisches Talent mit seiner Gitarre, ein bisschen Geld einzunehmen.

So schlecht müsste es den beiden eigentlich nicht gehen. Obwohl sie Hartz IV beantragen könnten, sind sie der Meinung, dass sie dafür zu stolz sind. Lieber hungern sie, als die Hilfe anzunehmen. Beide haben nur ein Ziel: Sie wollen irgendwann wieder ein normales Leben führen.

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