Jahrhunderthochwasser Als der Lachs im Keller schwamm

Erinnerungen an das Jahrhunderthochwasser im Jahr 1993 in Beuel. Familie Wissmann improvisierte, um dennoch gemeinsam im Warmen Weihnachten feiern zu können.

 Das Hochwasser im Jahr 1993. THW-Helfer bringen Menschen in einem Boot zu ihren Häusern.

Das Hochwasser im Jahr 1993. THW-Helfer bringen Menschen in einem Boot zu ihren Häusern.

Foto: Ga Archiv

Wenn sich der Rhein nach der zweiten Hochwasserwelle nun in sein Bett zurückzieht, atmen viele Menschen, die am Rhein wohnen, auf. Auch meine Familie. Doch das Hochwasser ist kein Vergleich zu dem, was die Anrainer beim Jahrhunderthochwasser 1993 erlebt haben.

Meine Großeltern Renate und Helmut Wissmann aus Beuel erinnern an ihr damals nasskaltes Haus, das an der Rheinaustraße liegt und an eine ungewöhnlich stille Weihnacht. Seit Anfang der 50er Jahre leben meine Großeltern dort mit dem Fluss und haben schon einige Hochwasser überstanden. 1993 stellte aber alles zuvor Erlebte in den Schatten, erzählen sie.

Der Rheinpegel erreichte mit 10,13 Metern einen Rekord. Das Haus meiner Großeltern und die dahinter liegende Firma, die mein Urgroßvater Wilhelm aufgebaut hatte, galten eigentlich als hochwassersicher.

Im gekachelten Erdgeschoss befanden sich nur die Garage, Keller- und Heizungsräume. Alle elektrischen Großgeräte und die Heizung waren erhöht auf Sockeln montiert. An den Rahmen der Eingangstüren im Erdgeschoss befanden sich Schienen, um Holzplatten gegen das eindringende Wasser zu befestigen.

Doch Weihnachten 1993 war es anders. „Das Wasser stieg viel schneller als erwartet, etwa 20 Zentimeter pro Stunde. Wir mussten das Erdgeschoss in großer Eile leer räumen. Die Eingangstüren wurde verbarrikadiert und alle Abflüsse abgedichtet“, erzählt mein Großvater Helmut Wissmann. Zunächst hielten die Holzbarrikaden den Wassermassen stand. Der Wasserpegel im Erdgeschoss blieb wegen der laufenden Wasserpumpen bei etwa fünf Zentimetern, während das Wasser vor der Tür ständig weiter stieg.

„Irgendwann in der Nacht fielen die Pumpen wegen eines Kurzschlusses aus und der Keller lief randvoll“, erinnert sich mein Vater. „Die aufgebockten Geräte und auch die Heizung waren nicht mehr zu retten. Der für Weihnachten gekaufte Lachs hatte zwischenzeitlich die Kühltruhe verlassen und schwamm in Begleitung einiger Weinflaschen im Keller rum.“

Glücklicherweise blieb der Wasserstand knapp unterhalb des ersten Stocks, in dem meine Urgroßmutter Maria Wissmann wohnte. Mein anderer Urgroßvater Heinz Pfeil, der zu Besuch kommen wollte, musste per Schlauchboot von hinten über das Gartengrundstück eingeschifft werden. Die Rheinaustraße erinnerte mit ihren Stegen und Booten an eine Szene aus Venedig.

„Wenn keine Boote vom THW unterwegs waren, war es fast schon unheimlich still. Nur das Wasser konnte man gluckern hören“, erinnert sich meine Mutter Nicole Santel, geborene Wissmann. „Glücklicherweise war bei uns der Strom nicht ausgefallen. Dadurch konnten wir eine Nachbarfamilie über Kabel mit Strom versorgen.“ Das Wichtigste war, dass die Familie an Heiligabend trotzdem zusammen sein konnte. Mit der Hilfe eines alten Elektrolüfters saßen sie in einem warmen Wohnzimmer bei selbst gemachtem Kartoffelsalat und Würstchen.

Ab dem ersten Weihnachtstag konnten sie mit dem zurückgehenden Wasser das ganze Ausmaß der Schäden erkennen: Zurück blieb ein etwa zehn Zentimeter dicker nach Öl riechender Schlamm, der schnell zu einer betonartigen Schicht austrocknete. „Viele Freunde kamen uns zur Hilfe und gemeinsam kehrten und spülten wir in den folgenden Tagen oft stundenlang und bis in den Abend den Schlamm aus den Gebäuden.

Die Feuchtigkeit hielt sich jedoch noch monatelang in den Mauern“, erinnerte sich meine Großmutter Renate Wissmann. Auf die Frage, ob sie schon mal daran gedacht hätten, wegzuziehen, schüttelt mein Großvater den Kopf. „Dank des neuen Hochwasserschutzes sind wir viel ruhiger geworden. Die erste wirkliche Probe hat der Damm im Hochwasser dieses Jahres ja schon bestanden.“

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