Ein Dirigent aus Ahrweiler am Rüttelpult

Für viele ist es das sinnlichste, ja erotischste aller Getränke. Für manche war und ist es gar Medizin: Als "Piccolöchen", verstaut in Damenhandtaschen, gehörte er in der Wirtschaftswunderzeit zum festen Bestandteil des kleinen Reisegepäcks. Die Rede ist vom Sekt. Christof Körtgen ist Sekt-Macher an der Ahr und stellt nach der klassischen Flaschengärmethode her.

Ein Dirigent aus Ahrweiler am Rüttelpult
Foto: Martin Gausmann

Ahrweiler. Für viele ist es das sinnlichste, ja erotischste aller Getränke. Für manche war und ist es gar Medizin: Als "Piccolöchen", verstaut in Damenhandtaschen, gehörte er in der Wirtschaftswunderzeit zum festen Bestandteil des kleinen Reisegepäcks, für den Fall, dass der Kreislauf in den Keller sacken sollte. Die Rede ist vom Sekt.

Kein Getränk wird häufiger mit stilvollem, festlichem Feiern verbunden als er. Und so wird der Sekt, der seinen Ursprung im 17. Jahrhundert in der französischen Champagne hat, auch beim heutigen Jahreswechsel 2010/2011 wieder das meist konsumierte Getränk sein: Laut Weininstitut tranken die Deutschen 2008 rund 320 Millionen Liter.

Zur PersonChristof Körtgen (48) aus Ahrweiler studierte 1982 bis 1985 in Geisenheim Weinbau und Oenologie. Anschließend arbeitete er als Diplom-Ingenieur fünf Jahre im Rheingau und widmete sich dem Thema "Entalkoholisierung von Weinen" mit Aufenthalten in Norwegen, Schweden und England.

1990 kaufte Körtgen das Gutsgebäude in der Ahrweiler Oberhut. Bis 2000 war er Betriebsleiter bei Deinhard in Koblenz. Henkel und Söhne übernahmen ihn als Betriebsleiter in Wiesbaden, bevor der Diplom-Ingenieur 2004 dann ganz in den Ahrweiler Winzerhof einstieg, den er seitdem mit seiner Frau Ute, tatkräftig unterstützt von den Kindern Antje, Nicklas und Lena, führt.

Einer, der sich berufsmäßig mit dem schäumenden Wein intensiv befasst, ist Christof Körtgen vom Ahrweiler Winzerhof, einem historischen Gutshof in der Oberhut, der nach dem großen Stadtbrand 1689 als Herrenhaus aufgebaut und 1747 fertiggestellt wurde. Der Gewölbekeller, den Sekt-Macher Körtgen sein Refugium nennt, stammt aus dem Jahr 1890. Dort stellt er seine Sekte, rund 5 000 Flaschen pro Jahr, nach der klassischen Flaschengärmethode her. Sie werden nach alter Tradition handgerüttelt und manuell degorgiert.

"Im Februar werden die jungen Weine, die wir so original wie möglich belassen, abgefüllt und dann neun bis 20 Monate gelagert", erläutert Körtgen. Ab Mitte des Jahres rüttelt er dann ab, sprich, er besucht die mit Kronkorken im Rüttelpult kopfüber stehenden Flaschen regelmäßig im 15 Grad kalten Keller, verpasst jeder Flasche eine kleine Drehung per Hand.

Und das bis zu 30 Mal, bevor sie dann "degorgiert" oder "entheft" werden. "Ich bin ein Freund von jungen Sekten. Solange sie auf der Hefe lagern, bleiben sie frisch." Jetzt, zum Jahresende, sind die Keller-Bestände des Sekt-Machers schon arg reduziert. Denn die hochkarätigen Winzer der Ahr, die ihre Weine bei ihm im Lohnversektungsverfahren bearbeiten lassen, haben ihre rund 30 000 Flaschen natürlich schon vor Silvester abgeholt.

Er selbst bietet das Jahr über in seinem idyllischen Winzerhof mit dem großen Kastanienbaum im lauschigen Innenhof einen lachsfarbenen, trockenen Spätburgunder Weißherbst an, einen Spätburgunder Rosé Sekt, einen Burgunder-Cuvée brut aus Weißburgunder- und Chardonnay-Trauben, einen Spätburgunder Blanc de noir brut (weißgekeltert aus roten Spätburgundertrauben) sowie einen ausdrucksstarken Rotsekt brut mit dem Namen "Cuvée Trompeter Jupp".

"Mein Großvater Jupp Kriechel war Winzer und Musiker und bewirtschaftete ein Weingut von rund vier Hektar zwischen Walporzheim und Marienthal. 1930 eröffnete er seine Weinstube und schenkte dort seine selbst ausgebauten Rot- und Weißweine aus. Aufgrund seiner Musikalität empfing er seine Gäste immer musikalisch und hieß so bald Trompeter von der Ahr", erklärt Christof Körtgen die Herkunft des Namens für seinen Rotsekt.

Jupp Kriechel starb 1987 und gab seine Weinberge, heute sind es 1,5 Hektar, in die Hände seiner Enkel Christof und Walter, die heute die Bewirtschaftung weiterführen. "Für den Cuvée Trompeter Jupp werden einige der besten Weine ganz nach seiner Philosophie verschnitten und abgefüllt."

Persönlich mag Christof Körtgen, der ebenso wie seine Brüder Walter und Thomas die Liebe des Großvaters zur Musik geerbt hat und die Gäste mit Klavierspiel erfreut, den Sekt frisch, leicht, fruchtbetont. Auch er wird mit seiner Familie an Silvester natürlich die Naturkorken knallen lassen, um dann mit kaltem Winzersekt in stilvollen, schlanken, hohen Gläsern aufs Jahr 2011 anzustoßen.

Er persönlich mag es lieber natürlich, ohne im Trend liegende Zusätze wie Aperol oder "Strecker" wie Orangensaft; auch wenn er den "Weinbergsduft" auf der Karte hat oder den Burgunder-Cuvée mit einem Schuss Pfirsichlikör, Und: "Wir wollen hier an der Ahr keinen Champagner imitieren, sondern unsere Produkte fördern. Wir können keinen Wein und demnach auch keinen Sekt besser machen, als die Trauben sind, die wir dafür verwenden. Und wie gut die sind, hängt jedes Jahr aufs Neue vom Wetter ab."

Das Verfahren der klassischen FlaschengärungBei der klassischen Flaschengärung findet die zweite Gärung in der Sektflasche statt. Der Sektgrundwein wird dafür mit Zucker und Hefe versetzt (Tirage) und in die Sektflasche gefüllt, die mit einem Kronkorken verschlossen wird.

Bei der nun folgenden alkoholischen Gärung wird der Zucker durch die Hefe in Kohlensäure und Alkohol umgesetzt. Nach Ablauf der Mindestlagerzeit wird die Hefe durch Abrütteln in den Flaschenhals bewegt. Hierzu werden Rüttelpulte aus Holz (manuelles Verfahren) sowie inzwischen auch halb- und vollautomatische Rüttelmaschinen verwendet. Beim Degorgieren (Enthefen) wird der Hefepfropfen entfernt, ohne dass der Sekt die Flasche verlässt.

Beim Kaltdegorgieren wird die abgerüttelte Hefe im Flaschenhals eingefroren, indem die Flasche kopfüber in ein Eisbad gesteckt wird. Anschließend kann die Flasche zum Öffnen umgedreht werden, ohne dass das Hefedepot den Sekt wieder eintrübt. Beim Öffnen des Kronkorkens wird der Hefe-Eis-Pfropfen durch den Gasinnendruck herausgeschleudert. Da beim Degorgieren immer auch ein wenig Schaumwein verloren geht, wird die Flasche mit der Dosage wieder aufgefüllt.

Mit dieser kann zugleich der Süßegrad des Schaumweines bestimmt und gesteuert werden. Die "Dosage" besteht aus einem Wein- und Zuckersirup-Gemisch. Beim Warmdegorgieren wird das Hefedepot nicht eingefroren, die Flasche muss kopfüber geöffnet werden: Geschick und Schnelligkeit ermöglichen das manuelle Warmdegorgieren.

InfosWinzerhof Körtgen

Oberhutstraße 16

53474 Bad Neuenahr-Ahrweiler

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