Rheinbacher Weiler Loch Liegt der Nibelungenschatz in Rheinbach-Loch?

RHEINBACH · Sagen, Mythen, Geheimnisse: Seit Jahrhunderten treibt die Menschen die Geschichte vom Nibelungenschatz um. Könnte es sein, dass das laut Nibelungenlied 144 Ochsenkarren füllende sogenannte Rheingold, sofern es denn jemals existierte, gar nicht im Rhein versenkt worden ist? Dass es statt dessen unbemerkt in einem Stollen unter einer Pferdekoppel in dem beschaulichen Rheinbacher Weiler Loch liegt und lediglich ausgegraben werden müsste?

Rudolf Patzwaldt ist davon überzeugt. Der heutige Münchner arbeitete einst als Steuerbeamter im Rheinland. Versteckte Schätze aufzuspüren, gehörte für ihn sozusagen zum Berufsbild. Er machte es auch zu seinem Hobby. Eines Sonntags, so schreibt der Freizeit-Historiker in einem Bericht, der im Internet (www.wisoveg.de) zu finden ist, "fuhr ich entlang der Autobahn von Bonn nach Zülpich durch den gemutmaßten Hoheitsbereich der historischen Nibelungen gemäß der Thidrekssaga."

Ein Hinweisschild nach Rheinbach machte ihn stutzig. Rudolf Patzwaldt studierte seinen Auto-Atlas, stutzte erneut - und fuhr schnurstracks in den kleinen Ort Loch. "Rheinbach-Loch: Ein Loch ze Rheine", schreibt Patzwaldt. Hagen, so heißt es nämlich im Heldenlied, "sancte in da ze Loche allen in den Rin".

Die Theorie des Diplom-Finanzwirts: Die Nibelungensage wurde bislang falsch gedeutet; Worms und das nahe gelegene Lochheim spielen für den Schatz gar keine Rolle. Die richtige Übersetzung lautet nicht etwa: "Er versenkte den Schatz bei Lochheim in den Rhein." Warum auch hätte Hagen derart fahrlässig mit einem Schatz umgehen sollen?

Tatsächlich befinde sich der Schatz in einem alten Erzstollen in Loch, auf den die alte Flurbezeichnung "Auf den Höhlen" hinweise. Der Hobby-Historiker stützt seine Theorie auf Ortsnamen. Rheinbach = Reginsbach, benannt nach dem Schmied Regin, der in der germanischen Edda-Sage auftaucht und den Schatz einst gehütet haben soll. Wormersdorf = Wurmhari, althochdeutsch für Drachenkämpfer. Kalenborn= kalte Quelle. Könnte hier Siegfried ermordet worden sein?.

Die These von der Nibelungenstadt Rheinbach hat es dem Lehrer, Musiker und Autor Bernd Schumacher angetan. Ähnlich wie seine Königswinterer Kollegin Judith Merchant ("Nibelungenmord", "Loreley singt nicht mehr", Knaur) setzt er auf die Faszination, die alte Sagen ausüben. "Das Nibelungen-Komplott" nannte Schumacher seinen im Jahr 2011 erschienenen Rheinbach-Krimi, den dritten nach "Februarblut" (2007) und "Wer mit dem Teufel tanzt" (2009, alle KBV).

Im "Nibelungen-Komplott" stößt ein Kommissar namens Seibold in Rheinbach auf ein Geheimnis, das mit dem Nibelungenschatz und dem Untergang des Burgundergeschlechts zu tun hat. Ein Offizier der Bundeswehr wird an der Madbachtalsperre entführt und später ermordet. Des Rätsels Lösung: Die Nachfahren des Germanengeschlechts wollen nicht, dass ihnen jemand auf die Schliche kommt. Eine interessante Basis für einen Krimi sei Patzwaldts These, so Schumacher. Ob sie historisch haltbar sei, sei "natürlich eine andere Frage".

Spurensuche in dem Weiler Rheinbach-Loch nahe Queckenberg. Vor einem Haus an der Straße "Alte Höhle" sitzt eine weißhaarige Dame, daneben hat es sich ihr Hund bequem gemacht. Wer den steilen Weg an einem sonnigen Sonntagmorgen hinauffährt, erntet neugierige Blicke - von Dame und Hund.

Es ist still im Dorf an diesem Vormittag. In der Nähe stehen einige Pferde und deren Besitzer vor einem Reitstall. Ein paar Bienen summen, hin und wieder ist ein Wiehern zu hören. Niemand besucht zu dieser Stunde das nahe gelegene Denkmal, das den Opfern der beiden Weltkriege gewidmet ist. Ein eher kurzer Spaziergang, dann stehen die Suchenden vor dem Gatter einer Pferdekoppel. Sanfte Hügel, ein Blick in die Ferne - hübsch hier.

Ein Mann und eine Frau nähern sich. Ob sie uns vertreiben wollen? Nein, sie wollen zu ihrem Pferd Demon. Ob sie schon von dem Nibelungenschatz gehört haben? Ja, der soll ja ganz in der Nähe liegen.

Thomas Bettenworth und Gisela Dinkelbach nehmen uns mit. Es geht vorbei an neugierigen Pferden über einen Zaun auf ein weiter entfernt liegendes Stück Wiese. Hier sei es, sagt Bettenworth und stampft zur Verdeutlichung auf. Unter diesem Stück Erde vermute Rudolf Patzwaldt den Schatz, in einem Stollen. Er selbst, so Bettenworth, nehme die These nicht so ernst. "Graben wäre bestimmt Zeitverschwendung. Und manchmal ist ja Glaube interessanter als Wissen."

In Fachkreisen jedenfalls konnte sich Patzwaldts Theorie bislang nicht durchsetzen. Einen "wissenschaftlich gesehen kompletten Unfug" nannte sie gar Professor Joachim Heinzle, Mitherausgeber des Buches "Die Nibelungen". Wer dennoch ans Graben denkt, sollte wissen: Seit 2013 gibt es auch in Nordrhein-Westfalen ein Schatzregal - archäologische Funde sind demnach Eigentum des Staates, dem Entdecker steht nur noch ein Finderlohn zu.

Rudolf Patzwaldt hat sein Vorhaben, den Nibelungenschatz zu heben, dennoch nicht begraben, erzählt er. Noch für dieses Jahr sei eine Vereinsgründung in Rheinbach avisiert. Das Ziel: die Stadt als möglichen Ort des linksrheinischen Burgunderreiches in den Fokus rücken; auch mit dem Bürgermeister wolle er sprechen. Und über die Frage, ob das neue Denkmalschutzgesetz rückwirkend auf seine gut 30 Jahre alte These angewendet werden könne, will er notfalls vor Gericht streiten.

Nibelungenhalle in Königswinter

Das Siebengebirge wird traditionell mit der Nibelungensage in Verbindung gebracht: Auf dem Drachenfels, so heißt es, hat der junge Siegfried den Drachen getötet und in dessen Blut gebadet, um unverwundbar zu werden. Auf halbem Weg hinauf zum Drachenfels steht die Nibelungenhalle, 1913 als Gedächtnistempel zum 100. Geburtstag des Komponisten Richard Wagner errichtet. Dessen Opernzyklus "Ring des Nibelungen" verarbeitete der Maler Hermann Hendrich in insgesamt zwölf großen Ölgemälden, die in dem Rundbau zu sehen sind.

Das strotzt auch sonst vor Symbolen rund um Sagen und Germanen: vom "germanischen Sonnenrad" über das Schwert an der schweren Eingangstür bis zu den Ornamenten an den Pfeilern.

Doch die Nibelungenhalle, von Marlies Blumenthal in zweiter Generation geführt, ist in die Jahre gekommen, derzeit wird sie für rund 700.000 Euro restauriert. Die 71-Jährige trägt fast ein Siebtel der Kosten, so Projektleiter Ägidius Strack, den Rest übernehmen die Deutsche Stiftung Denkmalschutz, der Bund und das Land NRW.

In Kürze soll die Nibelungenhalle wieder zugänglich sein. Während der Renovierung sind der dazugehörige Reptilienzoo und die Drachenhöhle täglich von 10 bis 18 Uhr geöffnet: Drachenfelsstraße 107, Königswinter, Telefonnummer 02223/24150, www.nibelungenhalle.de.

Unterwegs in Rheinbach

Wanderung: Wer sich auf die Spuren des Nibelungenschatzes begeben möchte, den Rudolf Patzwaldt in Rheinbach vermutet, der unternimmt am besten eine Wanderung, wie sie Bernd Schumacher im Buch "Das Nibelungen-Komplott" beschrieben hat - die Madbachtalsperre, eingebettet in die sanften, teilweise bewaldeten Hügel der Voreifel, lohnt auf jeden Fall einen Besuch. Ausgangspunkt: der Parkplatz Hunnensiefen an den Fischweihern hinter Eichen oder der Parkplatz an der Madbachtalsperre

Einkehr: Deftigen Imbiss gibt's in der Gaststätte "Zu den vier Winden" in Kurtenberg, Rheinbach-Stadt lockt mit zahlreichen Restaurants

Die Sage

Die Nibelungensage ist eine von den Germanen stammende Heldensage, die über Jahrhunderte in zahlreichen Fassungen überliefert ist. Ihre bekannteste schriftliche Fixierung ist das Nibelungenlied, entstanden um 1200.

Ein historischer Anknüpfungspunkt der Sage ist die Zerschlagung des Burgunderreiches im Raum Worms um 436 durch den römischen Heermeister Aetius mit Hilfe hunnischer Hilfstruppen. Weitere historische Ereignisse, die vermutlich eine Rolle spielen, sind die Hochzeit zwischen Attila und der wahrscheinlich germanischen Fürstentochter Ildico (453) sowie der Streit im Hause der Merowinger zwischen Brunichild und Fredegunde.

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