Römer im Rheinland Wurzeln umarmen das antike Bauwerk

Nettersheim · Aus dem Grünen Pütz in der heutigen Gemeinde Nettersheim sprudelte das Eifelwasser nach Köln.

 Selbst die Kraft der Wurzeln von Buchen und Eichen kann den 2000 Jahre alten Beton der römischen Wasserleitung nicht sprengen, wie der Aufschluss bei Kall-Dalbenden zeigt.

Selbst die Kraft der Wurzeln von Buchen und Eichen kann den 2000 Jahre alten Beton der römischen Wasserleitung nicht sprengen, wie der Aufschluss bei Kall-Dalbenden zeigt.

Foto: Hans-Peter Fuss

Aus dem Wald oberhalb des Rosentals bei Nettersheim steigen dem Wanderer Aromen von Bärlauch in die Nase. Unten im Tal, das sich von der alten Mühle aus auftut, umschwirren Bienen die Wildblumen. Alle halbe Stunde rauscht die Regionalbahn vorbei. Dort, wo die Wiese den Hang berührt, im Schatten der Bäume, steht ein ummauerter Brunnen, geschmückt mit Nachbildungen von Gorgonen-Häuptern. Grüner Pütz wird dieser Brunnen genannt. Aus ihm speisten die Römer vor fast 2000 Jahren ihre Eifelwasserleitung, die jeden Tag 20 Millionen Liter frisches Wasser für die Einwohner von Köln, das noch Colonia Claudia Ara Agrippinensium hieß, lieferte.

Historiker schätzen, dass Köln damals etwa 15.000 Einwohner hatte, also ungefähr so groß war wie die heutige Rheinbacher Kernstadt. Wie die Römer das Wasser über 95 Kilometer nach Köln leiteten, das erklärt Klaus Grewe bei einer Besichtigung einiger Aufschlüsse des antiken Bodendenkmals zwischen den Eifelstädtchen Nettersheim und Mechernich, wo der Kanal seinen Anfang nahm. Der Professor aus Swisttal-Morenhoven hat während seiner Tätigkeit beim Rheinischen Amt für Bodendenkmalpflege zahlreiche Relikte der antiken Leitung ausgegraben, erforscht und kartiert. Er untersuchte Quellfassungen, Aquädukte, Becken und die Kalksinterablagerungen im Innern des Kanals. Diese Relikte wurden restauriert, zum Teil mit Schutzbauten versehen und zugänglich gemacht. Entlang der Kanaltrasse führt ein 115 Kilometer langer Wanderweg von Nettersheim bis Köln.

Nach dem Jahr 80 n. Chr. präsentierte sich die heutige Römerkanaltrasse als Großbaustelle in der nahezu menschenleeren Eifel. Die römischen Planer hatten die gesamte Strecke zwischen Köln und der Eifel in 20 Abschnitte eingeteilt, in denen gleichzeitig gearbeitet wurde.

Über fünf Jahre hinweg, so Grewe, wuselten dort insgesamt etwa 500 Planer, Vermessungstechniker, Maurer und Hilfsarbeiter herum. Dann konnte das frische Wasser fließen. Jedem Kölner standen im Schnitt täglich 1200 Liter zur Verfügung. Ein unvorstellbarer Luxus, den sich die Ur-Kölner damals leisten konnten. Die Leitung folgte dem natürlichen Gefälle des Geländes. So verlief die Trasse zwar auf Umwegen nach Köln, war aber dennoch billiger als es eine Trasse auf dem kürzesten Weg gewesen wäre, weil keine teuren Kunstbauten erforderlich waren.

Zurück zum Ursprung des Kanals: Über eine 80 Meter lange Sickerleitung wird das aus dem Hang des Urfttales quellende Wasser in den Grünen Pütz geführt. Erdreich bedeckte die Leitung, um sie vor Frost zu schützen. Steinerne Gorgonen-Häupter sollten Unheil von der Quelleinfassung fernhalten.

Um zum pittoresken Aufschluss des Kanals bei Kall-Dalbenden zu gelangen, muss eine kleine Steigung von der Burg Dalbenden, von wo aus Generalfeldmarschall Gerd von Rundstedt Ende 1944 die Ardennenoffensive leitete, bewältigt werden. Der Wanderer steht dann vor einem fast 2000 Jahre alten Mauerwerk, dessen Beton immer noch Frost, Nässe und Wurzeln der Eichen und Buchen über ihm trotzt. "Das ist Qualitätsarbeit", schwärmt Grewe. Opus Caementicium nennt der Fachmann dieses gestampfte Gemisch aus Sand, Wasser und Kalk.

Auch die Kuppel des Göttertempels Pantheon in Rom ist aus diesem Material gefertigt. Um die Wasserscheide zwischen Rhein und Maas zu umgehen, bauten die Römer diesen Teil der Leitung an den Nordhang des Urfttales, wo sie für ein kurzes Stück ans Tageslicht tritt. Ein fast ein Meter hoher Durchlass für Regenwasser schützte den Kanal vor Unterspülung. Recht unscheinbar wirkt die kleine Aquäduktbrücke bei Mechernich-Vollem auf den Betrachter. Und doch ist sie eine kleine archäologische Sensation. Denn die Brücke ist die einzige noch im Originalzustand erhaltene im Verlauf des Kanals, die die Wasserleitung über einen Bach, den Kallmuther Bach, führte. Grewe entdeckte sie im Jahre 1981, als er "auf Verdacht" einen Suchschnitt anlegte und mit der Baggerschaufel auf antike, konisch zugeschlagene Grauwackesteine stieß. Insgesamt war die Brücke 17 Meter lang. Zunächst wurde die Ausgrabung wieder mit Sand bedeckt, weil im Jahre 1981 an eine Präsentation noch nicht zu denken war. Doch inzwischen ist der Fund unter einem Schutzbau zu sehen.

Vom restaurierten Klausbrunnen bei Mechernich-Kallmuth und aus Urfey wurde das Wasser zum Sammelbecken Eiserfey geleitet, wo der Zulauf aus Dreimühlen hinzukommt und die Hauptleitung nach Köln beginnt. Die Überdachung des Beckens und die Gestaltung des Vorplatzes übernahmen die Ortsvereine 2004.

Beliebtes Fotomotiv ist der Nachbau eines Teils des Aquäduktes, das den Römerkanal einst über ein Seitental des Veybaches bei Vussem führte. Über zehn Bögen, elf Meter hoch, überquerte die Leitung das Tal auf einer Länge von 80 Metern.

Im Aufschluss bei Mechernich-Breitenbenden, unterhalb eines Weizenfelds, ist die Kunst der römischen Maurer noch gut zu erkennen. Sie verschönerten das Mauerwerk im Inneren des Kanals mit feinen Zierfugen. Die Negativabdrücke dieser Zierfugen sind beispielsweise auf der Altarplatte aus im Römerkanal gewonnenem Kalksinter in der Stiftskirche in Bad Münstereifel zu sehen.

Zum Abschluss hat sich der Wanderer im urigen Café "Zur Römerquelle" in Nettersheim einen warmen Apfelstrudel verdient.

Die Region neu entdecken: Römisches Rheinland

Am 19. August jährt sich zum 2000. Mal der Todestag des ersten römischen Kaisers Augustus. Der Großneffe von Gaius Julius Caesar stand von 30 v. Chr. bis zu seinem Tod an der Spitze des Römischen Reiches. Er beendete die Bürgerkriege und schuf einen langen inneren Frieden (Pax Augusta), während er nach außen das Reich durch Kriege vergrößerte. Nicht nur wegen des Augustus-Jahres haben der Naturpark Rheinland, der Verein Region Köln/Bonn und der Landschaftsverband Rheinland das Programm "Römisches Rheinland 2014" zusammengestellt. Dazu gehören die Ausstellungen "Wasser für Roms Städte" im Museum der Badekultur in Zülpich und "Römische Großbronzen" im LVR-Landesmuseum in Bonn. Im Römisch-Germanischen Museum in Köln sind Bilder des Fotografen Alfred Seiland zu sehen.

Eine zusammenfassende Darstellung des Römerkanals bietet der im Regionalia-Verlag erschienene und reich bebilderte Band "Wasser für Roms Städte" von Klaus Grewe. Für Wanderer sehr gut geeignet ist das kleine vom Eifelverein herausgegebene Buch "Die lange Leitung der Römer".

Vorträge, Wanderungen, Ausstellungen, Infos

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort